Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die linke Hand Gottes

Die linke Hand Gottes

Titel: Die linke Hand Gottes
Autoren: Paul Hoffman
Vom Netzwerk:
alle sind jetzt tot.«
    »Vermutlich.«
    »Das ist gewiss.«
    Da das wahrscheinlich der Wahrheit entsprach, erwiderte Cale nichts.
    »Du solltest jetzt schlafen. Du kannst nichts Besseres tun, als wieder zu Kräften zu kommen und es den Erlösern heimzuzahlen, ganz gleich wie. Denk daran: Es geht nichts über Rache.«
    Mit diesem Rat überließ er Conn seinen trübseligen Gedanken.
    Am nächsten Morgen ritt er bei Tagesanbruch los, ohne sich von Conn zu verabschieden. Er hatte, so schien es ihm, schon mehr als genug für den jungen Materazzi getan und schämte sich fast, sein Leben für jemanden riskiert zu haben, der nach eigenem Eingeständnis das Gleiche nicht für ihn getan hätte.
    Er erinnerte sich an eine Bemerkung, die IdrisPukke einmal in Treetops gemacht hatte, als sie im Mondlicht zusammensaßen und rauchten: »Gib niemals deiner ersten Regung nach. Meist ist sie großherzig.« Damals hatte Cale darin nur ein weiteres Beispiel für IdrisPukkes schwarzen Humor gesehen. Jetzt aber verstand er, was sein Mentor damit hatte sagen wollen.
    Trotz seiner brennenden Sorge um Arbell Schwanenhals nahm er nicht den kürzesten Weg nach Memphis, sondern ritt in nordwestlicher Richtung in einem weiten Bogen um die Stadt. Es waren einfach zu viele versprengte Erlösermönche und Materazzi-Soldaten in der Gegend, die alle nicht sehr wählerisch darin waren, wer ihr nächstes Opfer wurde. Er vermied Städte und Dörfer und kaufte Nahrung nur in abgelegenen Gehöften. Selbst dort hatte sich die Nachricht von einer großen Schlacht verbreitet, wenngleich die einen von einem großen Sieg, die anderen von einer vernichtenden Niederlage sprachen. Er tat so, als wisse er nichts, und zog rasch weiter.
    Am dritten Tag wandte er sich nach Westen Richtung Memphis. Schließlich stieß er auf die Straße von Agger, die von Somkheti in die Hauptstadt führte. Die Straße war menschenleer. Er kletterte auf einen Baum und wartete, doch als auch nach einer Stunde niemand vorbeigekommen war, ging er das Risiko ein, den Rest des Weges auf der Straße zurückzulegen. Das sollte sein dritter Fehler in vier Tagen sein. Ein ungutes Gefühl beschlich ihn, je näher er Memphis kam. Keine zehn Minuten später tauchte hinter einer scharfen Kurve eine Materazzi-Patrouille auf, der er nicht mehr ausweichen konnte. Immerhin waren es keine Erlöser, und erleichtert, aber auch überrascht stellte er fest, dass die Patrouille von Hauptmann Albin angeführt wurde. Aber was tat der Chef des Materazzi-Geheimdienstes hier draußen? Aus Überraschung wurde Bestürzung, als die zwanzig Soldaten unter Albins Führung ihre Waffen zogen. Vier davon waren Bogenschützen zu Pferde, ihre Pfeile zielten direkt auf Cales Brust.
    »Was ist denn los?«, fragte Cale.
    »Wir handeln auf höheren Befehl, du bist vorerst festgenommen«, verkündete Albin. »Mach keine Schwierigkeiten. Wir müssen dir die Hände fesseln.«
    Cale hatte keine andere Wahl und ließ es geschehen. Wahrscheinlich war der Marschall wütend, weil er Arbell bei Kleist und Vague Henri gelassen hatte. Ein beängstigender Gedanke schoss ihm durch den Kopf.
    »Ist Arbell Materazzi etwas geschehen?«
    »Es geht ihr gut«, beruhigte ihn Albin, »allerdings hättest du dir diese Frage stellen sollen, bevor du dich in die Büsche geschlagen hast.«
    »Ich habe Simon Materazzi gesucht.«
    »Nun, das geht mich nichts an. Wir müssen dir auch die Augen verbinden. Nichts für ungut.«
    »Aber warum denn das?«
    »Weil ich es befehle.«
    In Wirklichkeit war es ein Jutesack, der nach Hopfen roch und dessen Gewebe so dicht war, dass es fast in gleichem Maße Licht und Geräusche abschirmte.
    Fünf Stunden später spürte Cale, wie sich das Pferd unter ihm anstrengte, denn es ging nun bergan. Durch den Jutesack vernahm er gedämpft das hohle Poltern von Hufen auf Holzbohlen. Offenbar passierten sie eines der drei Stadttore von Memphis. Eigentlich hätte er mehr Lärm in der Stadt erwartet, aber außer vereinzelten Rufen hörte er nichts. Nur aus dem Gefühl, ständig bergauf zu gehen, entnahm er, dass sie sich auf dem Weg in die alte Festung befanden. Seine Sorge um Arbell lag ihm im Magen und ließ ihn nicht mehr los.
    Schließlich hielten sie an.
    »Setzt ihn ab«, befahl Albin. Zwei Männer zogen ihn von links behutsam aus dem Sattel und stellten ihn auf die Füße.
    »Albin«, ließ sich Cales Stimme gedämpft unter dem Jutesack vernehmen, »befreit mich davon.«
    »Tut mir leid, das geht nicht.«
    Die Männer
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher