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Die Liebe ist eine Insel

Die Liebe ist eine Insel

Titel: Die Liebe ist eine Insel
Autoren: Claudie Gallay
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verrosteten Schiffsrumpfes. Ein Vorzeichen.
    Er durchquert die Gärten, biegt in die Rue des Ciseaux d’Or.
    Sein Theater, das Chien-Fou, ist eines der ältesten von Avignon, an der Place Saint-Pierre im Herzen der Altstadt gelegen. Odon hat es vor fünfzehn Jahren gekauft. Damals war es baufällig, leerstehend. Ein Hund, der als verrückt galt, lebte darin und weigerte sich, es zu verlassen. Die Nachbarn fütterten das Tier, eine Dogge mit dichtem Fell und langer Schnauze. In einer Gewitternacht starb es schließlich vor Angst. Odon begrub es am Ufer, eine Weide hat an der Stelle Wurzeln geschlagen.
    Der Pfarrer steht unter dem Portal seiner Kirche. Die beiden Männer schütteln sich die Hand, ein aufrichtiger Händedruck. Man nennt ihn Père Jean, doch sein richtiger Name ist Noël. Père Noël, seine Mutter konnte nicht wissen, dass er Priester werden würde.
    »Wird gespielt?«, fragt er.
    Odon hat keine Ahnung, er hofft es, doch durch die Absage des offiziellen Festivals geht ein Teil des Programms verloren.
    Er zieht eine Karte aus der Tasche.
    »Meine Kirchenspende. Julie würde sich freuen, wenn du in die Vorstellung kämst.«
    Der Pfarrer nickt.
    »Ich werde kommen«, sagt er.
    Er ist überzeugt, dass Julie eines Tages eine große Schauspielerin werden wird. Odon glaubt nicht daran. Seine Tochter liebt das Leben viel zu sehr, sie langweilt sich niemals, Verzweiflung ist ihr fremd.
    »Abraham liebte Gott so sehr, dass er ihm seinen Sohn opferte«, sagt Odon.
    »Wo ist der Zusammenhang?«
    »Julie spielt gut, aber sie bringt keine Opfer.«
    Der Pfarrer zuckt die Achseln.
    Sie reden über den Streik, ob man daran festhalten sollte oder nicht.
    Eine Touristengruppe ist vor der Fassade des Theaters stehen geblieben. Sie betrachten das Schachspiel, das auf dem kleinen Tisch neben der Tür steht. Unter ihn geschoben zwei Hocker. Das Brett gehört Odon, er lässt es den ganzen Sommer über draußen stehen. Jeder, der will, kann spielen.
    Neben der Tür eine Messingtafel:
    Théâtre du Chien-Fou
    O. Schnadel
    Ein einfacher Holzriegel.
    Das ist der Bühneneingang.
    Odon legt seine große Hand auf die Schulter des Pfarrers.
    »Bis später …«
    Er überquert den Platz.
    Der Gang hinter der Tür ist dunkel. Es riecht nach Staub, und von der Decke hängen Stromkabel.
    Odon kennt diesen Gang wie seine Westentasche.
    Sechs Garderoben, die Kulissen, der Vorhang. Kostüme auf Kleiderständern. Im Saal zehn Reihen mit sechzehn Sitzen und Notsitzen im Mittelgang, abgewetzter roter Teppichboden. An den Seiten ein alter Ofen, Lederschlaufen, in die früher Fackeln gesteckt wurden.
    Jeff steht auf der Bühne. Mit Hammer und Nägeln repariert er ein Brett, das sich im Boden gelockert hat. Die Kulissen stehen im Weg. Seit die Bühnenarbeiter streiken, herrscht Chaos.
    Julie ist mit Damien, Chatt’ und Greg in der ersten Garderobe. Yann steht etwas abseits und telefoniert.
    Die Klimaanlage ist voll aufgedreht, man friert beinahe. Wenn man sie runterstellt, geht sie aus. Ein Problem mit den Thermostaten, es ist niemand da, der sie repariert.
    Im Gang hängen Plakate von Nuit rouge , eine endlose Reihe vor weißem Hintergrund.
    »Was machen wir heute Abend?«, fragt Julie, als sie ihren Vater im Gang vorbeigehen sieht.
    Odon kommt zurück.
    »Wie, was machen wir?«
    »Wir müssen solidarisch sein«, sagt Julie.
    Odon weigert sich, einen weiteren Abend nicht zu spielen.
    »Die Kostüme, die im Gang stehen, müssen weg, das ist ja ein heilloses Durcheinander.«
    »Das lässt sich so oder so nicht vermeiden«, sagt Damien.
    Ihre Blicke begegnen sich.
    Damien wendet sich ab.
    Odon zündet sich eine Zigarette an.
    »Wir können solidarisch sein und trotzdem spielen.«
    Für Julie ist streiken auch eine Art zu spielen. Wenn jede Theatergruppe eine Barrikade errichten würde, ergäbe das mehr als sechshundert in der Stadt. Die Aufführung würde dann auf der Straße stattfinden, und der Asphalt wäre die Bühne.
    Die Bühnenarbeiter kommen und mischen sich ein.
    Odon ist überzeugt, dass die Fortsetzung des Streiks nur dem Medef, dem Arbeitgeberverband, nützen und die Blockade nur der Regierung in die Hände spielen würde.
    »Die Völker verschaffen sich Gehör, indem sie die Theateraufführungen weiterhin zeigen.«
    Der Ton war deutlich. Julie traut sich nicht mehr, ihrem Vater zu widersprechen.
    »Wir treffen uns in einer Stunde und überlegen, was wir tun«, sagt Odon.
    Mit anderen Worten, sie werden abstimmen.
    Odon geht in sein
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