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Die Liebe ist eine Insel

Die Liebe ist eine Insel

Titel: Die Liebe ist eine Insel
Autoren: Claudie Gallay
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ist.
    Er faltet es auseinander. Es handelt sich um eine große Seite, die aus einem karierten Heft gerissen wurde.
    Einsteins Rätsel, abgeschrieben von Jeff.
    Odon dreht das Blatt um.
    Hinten, auf dem freien Raum, in runder Schrift mit einem roten Buntstift geschrieben: »Der Deutsche hat den Fisch!«
    Ein Kreis auf dem i .
    Die Antwort ist unterstrichen.
    Es ist Maries Schrift. Darunter ihre Lösungsansätze, Zeichnungen von verschiedenfarbigen Häusern, Namen.
    Odon lächelt, Freude mischt sich in seinen Kummer.
    Sie hat die Lösung gefunden.
    Er steckt das Blatt in die Tasche.
    Ein letzter Blick, und er schließt die Tür.

T age sind vergangen. Die Plakate lösen sich, baumeln. Nach-Festival-Atmosphäre. Auf der Bank ist eine Marionette vergessen worden, ein rotes Damastkostüm.
    Alle Zimmer sind leer.
    Es ist früh am Morgen.
    Isabelle schlägt die Zeitung auf. Sie liest ihr Horoskop, Löwe, erste Dekade: »Heute ist ein günstiger Tag für Sie. Nutzen Sie jede Chance, die sich Ihnen bietet, weitreichende Zukunftsperspektiven werden sich Ihnen eröffnen.«
    Sie geht zur Spüle, füllt ein Glas mit Wasser. Sie trinkt einen Schluck.
    Ihr Koffer für Ramatuelle ist fertig gepackt. Er steht in der Diele. Ihre blaue Strickjacke darübergeworfen.
    Isabelle schaut aus dem Fenster. Ein Blick auf ihre Uhr. Das Taxi wird gleich kommen. Sie hat angerufen. Es holt sie kurz vor acht ab.
    Sie ist zu erschöpft, um den Zug zu nehmen, sie wird die ganze Reise im Taxi machen.
    Sie schminkt ihre Lippen, schlingt einen leichten Schal um den Hals.
    Sie gibt Odon die Zweitschlüssel.
    Das Taxi kommt.
    Sie schließt das Fenster.
    Alles ist aufgeräumt. Das Haus, die Sachen, als ginge sie auf große Reise.
    Der Fahrer kommt hoch, hilft ihr mit dem Koffer.
    Das Taxi steht vor der Tür, sie braucht nicht weit zu gehen.
    Sie fährt für drei Tage weg. Man könnte meinen, es sei für eine Ewigkeit.
    Bevor sie in den Wagen steigt, blickt sie hoch zu den geschlossenen Fenstern ihres Hauses. Der Plüschbär, die Puppe hinter der Fensterscheibe. Mathilde ist abgereist, sie hat versprochen, sie an Weihnachten für ein paar Tage zu besuchen.
    Isabelle steigt in den Wagen. Der Fahrer schließt die Tür. Er legt den Koffer in den Kofferraum und setzt sich ans Steuer.
    Ein Blick in den Rückspiegel.
    »Alles in Ordnung, Madame?«
    »Ja, alles in Ordnung.«
    Er dreht den Zündschlüssel herum. Der Motor macht ein leises Geräusch.
    Das Taxi fährt durch die Rue de la Croix, lässt das Gewirr der Gässchen langsam hinter sich. Es ist kaum jemand unterwegs, nur ein paar Bewohner mit Einkaufskörben, die Markthalle ist nicht weit entfernt.
    Das Taxi durchquert die Stadt. Es kommt zur Stadtmauer, bremst ab, fährt durch das Stadttor und biegt nach rechts, auf den Boulevard, der um die Stadt herumführt.
    Eine rote Ampel, das Taxi wird langsamer, bleibt stehen.
    Die Zeit vergeht, ein paar Sekunden.
    Isabelle lehnt den Kopf an die Wagentür. Marie ist tot. So macht es das Schicksal manchmal. Es rafft dahin. So ist es eben. Unwiderruflich. Ein Dahinscheiden ist nicht weniger brutal als ein Massaker. Diejenigen, die zurückbleiben, weinen. Machen sich Vorwürfe deswegen. Die Geschichte kann man nicht rückgängig machen, denkt Isabelle. Nichts wird neu geschrieben.
    Sie zerdrückt eine Träne.
    Die Ampel schaltet auf Grün.
    Der Fahrer fährt los, der Verkehr ist jetzt dichter, er fährt langsam, immer an der äußeren Stadtmauer entlang.
    Isabelle dreht sich um.
    Durch das Rückfenster des Wagens blickt sie auf den Fluss, die Bäume, die ihn säumen, die Kähne am Ufer gegenüber, die Sonne auf den Türmen, den Dächern, die Stadt im Schutz ihrer Mauern.
    Der Wagen beschleunigt.
    Der Fluss macht eine Biegung.
    Avignon wirkt wie eine Insel, die sich entfernt.
    Der Fahrer wirft einen Blick in den Rückspiegel. Isabelle dreht sich wieder nach vorn.
    Wenn sie gut durchkommen, wird sie noch vor Mittag in Ramatuelle sein.
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