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Die Liebe ist ein Daemon

Die Liebe ist ein Daemon

Titel: Die Liebe ist ein Daemon
Autoren: Dorotea de Spirito
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gefährliche Dinge reizen mich einfach nicht.«
    Die Zigarette ist immer noch am Glimmen. Wie ein kleines giftiges Glühwürmchen.
    »So ist es eben«, füge ich voller Überzeugung hinzu. »Ich habe einen ausgeprägten Selbsterhaltungstrieb, mir würde niemals etwas Spaß machen, was mir schaden könnte.«
    Wir lachen, wir sind unbeschwert und unser größtes Problem heute ist der Gedanke, dass ab morgen früh der Wecker wieder um sieben Uhr klingeln wird.
    »Ja, das wird es wohl sein.«
    Ginevra hört auf zu rauchen. Die Glut verlischt.
    »Also, morgen geht die Hölle wieder los, ja?«, fragt sie mich und nimmt einen Kaugummi aus der Tasche.
    »War das eine rhetorische Frage?«
    |40| »Ja, zumindest solange du nichts anderes vorhast«, antwortet sie mit einem tiefen Seufzer.
    »Wie zum Beispiel von zu Hause wegzulaufen und Arbeit in einem Zirkus zu suchen?«
    »Das wäre eine Möglichkeit«, sagt sie und lacht. Dann fährt sie fort: »Dieses Jahr soll anders werden.«
    »Willst du die Wände im Klassenzimmer neu anstreichen? Gefällt dir dieses Irrenhaus-Grün nicht mehr?«
    Wir müssen beide lachen.
    »Ich möchte, dass es ein schönes Jahr wird. Nicht dass das vergangene Jahr schlecht gewesen wäre. Ach egal, vielleicht sind das nur die üblichen blöden Sprüche, die man am letzten Ferientag macht, ein bisschen wie an Silvester, wenn man gute Vorsätze für das neue Jahr fasst.« Sie blickt nachdenklich auf die Spitzen ihrer schwarzen Ballerinas.
    »Das ist die Idee!«, rufe ich.
    »Was?«
    »Wir könnten doch eine Liste mit unseren guten Vorsätzen machen!«
    »Ich hab doch gerade gesagt, dass gute Vorsätze nichts nützen und dass   … Okay, wir haben ja grad nichts Besseres zu tun. Mal sehen, ich fange an«, fährt meine Freundin fort. »Ich will der Callisti sagen, was ich wirklich über sie denke.« Die Callisti ist die gefürchtetste Lehrerin an der ganzen Schule.
    »Ah, du spielst gerne mit dem Feuer? Damit solltest du aber bis zum letzten Schultag vor den Sommerferien warten, dann hat sie drei Monate Zeit, um es wieder zu vergessen, und wird dich vielleicht nicht durchfallen lassen. Was noch?«
    |41| »Mmh, warte mal   … Genau, ich möchte Lavinia an die Wand klatschen«, fügt sie hinzu.
    »Und das sollen gute Vorsätze sein?«
    Ginevra zählt immer neue mehr oder weniger gute Vorsätze auf und wir lachen und quatschen weiter und weiter. Plötzlich hält sie inne und richtet den Blick starr auf den Horizont. Im Licht des Sonnenuntergangs strahlt ihr Gesicht und ihre Augen werden weich und honigfarben.
    »Der letzte Sonnenstrahl«, flüstert sie, als ob andere Gedanken von ihr Besitz ergriffen hätten.
    Ich blicke in die gleiche Richtung und sehe, dass sie recht hat.
    O nein.
    Ich kann nur noch daran denken.
    Nein, nein, nein, nein.
    Wie traurig.
    Der Sommer ist wirklich vorbei, der letzte Strahl der Sommersonne erlischt gerade und nimmt unsere Freiheit mit. Unsere nächtlichen Runden mit dem Moped um zwei Uhr nachts durch das San-Pellegrino-Viertel, die Nachmittage, die wir ziellos durch die Stadt gelaufen sind, bis uns die Füße wehtaten, die Tage am See, die Zigaretten, die wir auf dem Dach und am Strand geraucht haben, und vor allem die Sommernächte, in denen wir mit Sand in den Augen und noch nassen Haaren in die Sterne geschaut haben. Die Abende, an denen wir tanzen waren und eine Menge Spaß hatten, auch wenn wir nicht tanzen können und wie Gummihühner auf der Tanzfläche herumgehüpft sind. Dann der Nachhauseweg zu |42| Fuß, die hochhackigen Sandalen in der Hand, während wir aus vollem Hals die Melodien der Handyklingeltöne mitgesungen haben. Und wen kümmerte es schon, dass wir uns am nächsten Tag kaum mehr auf den Beinen halten konnten?
    Der Sommer, die schönste Jahreszeit von allen.
    Er ist zu Ende.
    »Wünsch dir was«, flüstert meine Freundin mir ins Ohr.
    »Wie bitte?«
    »Wünsch dir etwas, bevor der letzte Sonnenstrahl hinter dem Hügel verschwindet, dann wird es in Erfüllung gehen. Das sagt man so.«
    »Ist das nicht Aberglaube?«, frage ich skeptisch.
    »Und wenn schon   …«
    Okay, ein Wunsch lässt sich finden.
    Ich starre in das goldene Licht, das immer schwächer wird.
    Ich lasse zu, dass es in meine Pupillen dringt und meine Augen fast verbrennt.
    Ich will mich verlieben.
    Sonne, letzter Sommersonnenstrahl, ich wünsche mir keinen Flirt, ich wünsche mir keine Schmetterlinge im Bauch, ich wünsche mir Liebe, echte Liebe.
    Die wahre Liebe, von der ich nicht mal
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