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Die Liebe ist ein Daemon

Die Liebe ist ein Daemon

Titel: Die Liebe ist ein Daemon
Autoren: Dorotea de Spirito
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Purzelbäume in der Luft. Plötzlich scheint mir die Sonne ins Gesicht. Ich versuche, meine Augen zu bedecken, aber es hat keinen Zweck.
    »Wach auf, du Schlafmütze!«, ruft meine Mutter.
    Ich mache die Augen auf und sehe die hochgezogenen Rollläden und das Sonnenlicht, das durch das Fenster dringt. Es war nur ein Traum.
    Ich habe zwanzig Minuten Zeit, um mich fertig zu machen. Ich hüpfe mit halb hochgezogenen Jeans zu meinen Schuhen, wühle im Schrank herum, finde ein T-Shirt und eine Jacke, stürze mit immer noch heruntergelassenen Hosen ins Bad, bürste mir hektisch die noch vom Schlaf zerzausten Haare. Fünf Minuten später bin ich sozusagen »abmarschbereit«   …
    Ginevra holt mich mit ihrem über alles geliebten kleinen Auto ab, das uns schon bei vielen unserer verrückten Streifzüge begleitet hat.
    |47| Sie reiht sich mit 45   Kilometern die Stunde, was das Höchste ist, was der Motor hergibt, in den Acht-Uhr-Morgen-Verkehr ein.
    »Mir kommt es vor, als wäre ich gestern erst diesen Weg gefahren   …«, seufzt meine Freundin, ohne den Satz zu beenden. »Warum gehen die Ferien immer so schnell vorbei?«
    »Damit du dich am Ende der Ferien schon auf die nächsten freuen kannst.«
    »Ja, das stimmt. Wo wollen wir an Weihnachten hinfahren? Oder an Karneval? Und was machen wir in den Osterferien?«
    Wir fangen an zu lachen, während unsere Karre langsam durch den Verkehr gleitet.
    »So ein Mist, ein Stau hat uns gerade noch gefehlt. Wir kommen zu spät«, schnaubt Ginevra.
    Mir fällt der Traum von letzter Nacht ein, als ich hoch am Himmel flog. Einen Augenblick lang habe ich dasselbe Gefühl von Leichtigkeit und schließe instinktiv die Augen.
    »Was machst du? Du schläfst doch nicht etwa ein?«
    »Nein, ich habe an einen Traum gedacht. Ich hatte Flügel und bin damit geflogen. Das heißt, alle hatten Flügel.«
    Sie sieht mich für ein paar Sekunden an und ich weiß schon, dass sie gleich mit der üblichen Frage loslegen wird.
    »Aber denkst du wirklich, dass es nicht möglich ist zu fliegen? Für einen Engel, meine ich.«
    »Fängst du schon wieder damit an? Ich habe es dir doch erklärt, auch Lorenzo sagt es dir immer wieder, es ist überhaupt |48| nicht einfach, die Flügel auszubreiten. Wenn es so leicht wäre, würden wir alle herumflattern und müssten nie mehr mit dem Auto, Moped oder Fahrrad fahren.«
    »Ja, ja, ich weiß schon. Aber es kommt mir so komisch vor. Und in der Vergangenheit   …«
    »Vergangen ist vergangen.«
    Es ist tatsächlich so. Unsere Spezies wird immer schwächer, das ist ganz klar zu sehen. Es sind zu viele Jahre vergangen, zu viele Generationen trennen uns von unseren mächtigen Vorfahren. Wir sind nichts weiter als eine verblichene und spröde gewordene Erinnerung an die großen Mächte, die es einmal gab: unbesiegbare Wesen, die jede Art von Krankheit heilen konnten und nicht nur die oberflächlichen Verletzungen. Und die vor allem ihre Flügel in Sekundenschnelle ausbreiten konnten, ganz ohne diese Kraftanstrengung und diesen Schmerz, den es heute verursacht.
    Je jünger du bist, desto mehr musst du leiden.
    Je sehnlicher du dir deine Flügel wünschst, umso mehr wirst du bei dem Versuch, sie zu entfalten, bluten. Es ist ein stechender Schmerz, der dir den Rücken verbrennt. Ein Schmerz, der sich von deinem Herzen ausbreitet und dir die Haut zerreißt. Wenn sich die Flügel wieder schließen, bleiben tiefe Wunden, die aussehen, als wären sie mit einer scharfen Klinge geschnitten worden.
    Das ist zumindest alles, was ich weiß. Es ist das, was mir die wenigen Male erzählt wurde, wenn auf meine neugierigen Fragen nicht die übliche Antwort kam: Du würdest es sowieso nicht verstehen.
    |49| Selbst wenn wir heute ein ruhiges, modernes und vielleicht monotones Leben führen, so weine ich doch sicherlich nicht den vergangenen Zeiten nach, Zeiten, die von Kriegen geprägt waren. Auch weil ich fast nichts darüber weiß. Über dieses Thema wird bei uns zu Hause nicht gesprochen, aber ich bin sicher, dass wir heute nur noch zerbrechliche Schatten von dem sind, was wir einmal waren.
    Ginevra biegt mit ihrer üblichen sportiven Fahrweise in den Parkplatz ein.
    Eine Katze kommt von der Seite herausgeschossen.
    »Ginni, pass auf die Katze auf!«
    Meine Freundin reißt das Lenkrad herum und bremst. Zwei Zentimeter vor einem Jungen kommt der Wagen abrupt zum Stehen. Beinahe hätte sie ihn umgefahren.
    Er dreht sich um.
    »O mein Gott!«
    Ich rutsche schnell unter den Sitz, damit
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