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Die Liebe ist ein Daemon

Die Liebe ist ein Daemon

Titel: Die Liebe ist ein Daemon
Autoren: Dorotea de Spirito
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weiß, ob es sie wirklich gibt, und die ich vielleicht nie finden werde.
    Die Liebe, die dich nachts nicht schlafen lässt und die dir tagsüber den Kopf verdreht, die dich süchtig und trotzdem glücklich macht.
    Die Liebe, von der du nachts so viel träumst, dass sie fast real erscheint.
    |43| Die Liebe, die dich die Sterne einzeln zählen lässt und dich dann so verwirrt, dass du wieder von vorne anfangen musst.
    Die Liebe, die dich lehrt, den Hass zu hassen.
    Und je mehr Liebe du hast, desto mehr Liebe wünschst du dir.
    Ich sehe Ginevra an, deren Gestalt sich von dem orangefarbenen Licht der untergehenden Sonne abhebt, und denke an sie und Lorenzo. Sie sind zwei Teile, die zusammen eine Einheit bilden, zwei Seelen, die sich gegenseitig ergänzen. Das wünsche ich mir auch.
    Gibt es irgendwo auf der Welt meine Hälfte? Gibt es das Spiegelbild eines Engels ohne Flügel, jemanden, der stark genug ist, mich zu ertragen, und geduldig genug, mich zu verstehen? Wenn es ihn gibt, dann möchte ich ihm begegnen.
    Der letzte Sonnenstrahl verlischt, der letzte Sommertag ist zu Ende.
    »O Gott, es ist schon so spät«, sage ich missmutig und kehre in die Wirklichkeit zurück.
    Es ist bereits acht Uhr. Ich muss schnell los, sonst ist es das Ende. Meine Eltern akzeptieren keine Verspätungen und meine Schwester ist natürlich immer pünktlich.
    Ich springe wie von einer Hornisse gestochen auf.
    »Fahren wir morgen zusammen in die Schule?«, fragt Ginevra.
    »Na klar«, antworte ich.
    »Dann hol ich dich ab.«
    »Okay, jetzt muss ich aber rennen.«
    |44| »Flieg doch!«, ruft sie mir hinterher.
    Ha, ha, wie lustig. Aber ich muss trotzdem lächeln. »Bis morgen!«
    »Bis morgen, Engelchen.«
    Und ich renne, ich renne und renne.
    Ich renne durch die Straßen der Stadt.
    Ich renne und sehe nichts mehr, nur noch wie die Straße vor mir verschwimmt.
    Ich renne und ich merke nichts mehr, nur ganz leicht die Steine unter meinen Füßen und den Wind in meinem Gesicht.
    Ich renne und ich denke an nichts.
    Und ganz sicher denke ich nicht an das, was ich mir eben gewünscht habe.
    Schade, vielleicht wäre mir sonst ein schöner Satz in den Sinn gekommen, den ich vor langer Zeit gelesen habe:
    Pass auf, was du dir wünschst, du könntest es bekommen. Und dann wirst du mit den Folgen leben müssen.
    Ich bin fast da, vielleicht kann ich mir den Anschiss ersparen. Ich werde langsamer und lehne mich an eine Straßenlaterne, um zu verschnaufen. Ich atme in langen Zügen die frische Abendluft ein. Sie ist feucht und duftet.
    Und bei dieser Straßenlaterne geschieht etwas Seltsames. Ein Geräusch. Ich blicke hoch und einen Moment lang scheint es mir, als hätte ich einen schwarzen Schatten wahrgenommen. Ich bleibe stehen und warte einen Augenblick, aber ich höre und sehe nichts mehr. Ich will mich nicht noch mehr verspäten und laufe weiter.
    |45| Und so merke ich nicht, wie seine Augen auf mir ruhen. Ich spüre nicht, wie sie mich wie Röntgenstrahlen durchbohren. Ich fühle nicht, wie sie sich in meine Augen einbrennen, wie beim ersten Mal, als ich sie gesehen habe. Und das ist vielleicht gut so. Denn ich hätte nicht gewusst, wie ich reagieren sollte.
    Ich sehe den Silberring nicht, der seine goldene Augenbraue schmückt.
    Ich spüre seinen warmen Atem nicht, der so nahe an meinem Gesicht vorbeigeht.
    Und vor allem sehe ich sein Gesicht nicht, das vom Schatten der Kapuze bedeckt wird.
    Es ist gut so, denn es hätte mich erschreckt und mich in widersprüchliche Gefühle verstrickt.
    Feigheit. Ich habe mich dafür, dass ich ihn fast über den Haufen gefahren habe, nicht entschuldigt.
    Erstaunen. Ich dachte, er wäre bereits abgereist. Ich dachte sogar, er wäre nie da gewesen und ich hätte mir alles nur eingebildet.
    Angst. Ich lasse mich immer sehr leicht erschrecken. Unbekannte Dinge, selbst wenn sie schön sind, beunruhigen mich.
    Es ist gut, dass die Straßenlaterne nicht hell genug war. Es ist gut, dass ich bereits zu Hause angekommen bin.
    Ich öffne die schwere Haustür, schließe sie hinter mir und lasse die Straße, den Abend und diese aufdringlichen und wunderschönen Augen zurück. Die Augen eines Raubtiers.

|46| VERGANGEN IST VERGANGEN
    Ich fliege. Glücklich fliege ich über die Bäume und steige leicht in Richtung Wolken auf. Um mich herum gibt es viele andere Engel mit ausgebreiteten Flügeln. Wenn wir uns begegnen, nicken sie mit dem Kopf und lächeln mir zur Begrüßung zu. Ich fliege auf und ab und mache zum Spaß
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