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Die Liebe in Grenzen

Die Liebe in Grenzen

Titel: Die Liebe in Grenzen
Autoren: Veronika Peters
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den Felsen herumgehen, der jetzt die Wände hochkroch und mir die Sicht auf Konrad genommen hatte. Auf der anderen Seite war aber niemand, auch die Wand war nicht mehr da, stattdessen wehte mich der Nachtwind an, und die Hausmeisterfrau brüllte von unten zu mir herauf: » So geht es aber nicht, Fräulein Werner! «
    Im Haus gegenüber winkte jemand, ich winkte zurück – und erkannte sein Gesicht. » Wie bist du so schnell dort hingekommen? « , schrie ich, er aber hielt sich lächelnd die Hand ans Ohr, gab mir zu verstehen, dass er mich nicht hören könne.
    Ich war glücklich, ihn wiederzusehen, wollte ihm ein Zeichen geben, dass ich gleich bei ihm sein würde, aber er winkte noch einmal, dann verschwand er hinter dem Vorhang.
    Ich trat einen Schritt vor, und weil da keine Hauswand mehr war und auch kein Boden, fiel ich. Aber das war gar nicht schlimm, denn inzwischen war es Sommer geworden. Und während ich fiel, strich warme Luft um meinen Körper. » Freier Fall! « , rief ich und fiel und fiel und fiel und hatte keine Angst.
    Als ich aufwachte, dachte ich, dass das mehr ein Traum vom Fallen gewesen war als ein Traum von Konrad. Aber ich hatte sein Gesicht gesehen, von dem ich nicht einmal ein Foto besaß.
    Ein Traumzeichen, so könnte man es deuten, glaubte man an solche Sachen.
    Dass es auf Dauer nicht gegangen wäre, habe ich eigentlich von Beginn an gewusst.
    Dass das, was wir hatten, mir niemand mehr wegnehmen kann, weiß ich seit heute.
    Â» Du willst mich doch nicht etwa retten? « , hatte er mich eines Nachts unvermittelt bei einem unserer Spaziergänge gefragt.
    Â» Wieso sollte ich das wollen? « Ich rang um einen lässigen Tonfall, weil mich seine Frage ebenso verärgerte wie verletzte.
    Â» Weil du dich dazu imstande fühlst oder weil du dafür bezahlt wirst. «
    Â» Für so fähig halte ich mich nicht, und noch viel weniger werde ich dafür bezahlt, jemanden zu retten. Es ist unfair, mir so etwas zu unterstellen. Oder was soll die Frage? Wünschst du dir das etwa heimlich? Gerettet zu werden? «
    Â» Das wäre krank. «
    Â» Eben. «
    Wir haben dann darüber gescherzt, wie wenig es im Grunde um Rettung geht. Führe man sich die sogenannten Normalen vor Augen, könne man besser im Zustand der verlorenen Seele bleiben. Wir malten uns das immer weiter aus, bis mir der bittere Beigeschmack, der sich auch durch unser Herumalbern nicht verflüchtigte, zu viel wurde: » Hör zu, keiner von uns ist verloren. Niemand rettet niemanden. «
    Es klingelt lange, bis sie ans Telefon geht.
    Â» Carmen, du brauchst mir die Stelle nicht länger freizuhalten « , sage ich.
    Â» Willst du dich weiter bei deiner Freundin verkriechen? Das ist keine Lösung, Katia! «
    Â» Ich weiß. «
    Â» Was willst du also tun? «
    Â» Ich werde einen Job als Erzieherin bei einer Familie in Hamburg annehmen. Die Eltern suchen eine Betreuung für ihre beiden Kinder und sind bereit, eine nicht ganz anerkannte Fachkraft dafür gut zu bezahlen.«
    Â» Das klingt doch wieder nach Flucht. «
    Â» Nein, das klingt nach gewonnener Zeit zum Nachdenken. «
    Â» Damit hast du jetzt schon fast vier Monate verbracht, was soll dabei noch herauskommen? «
    Â» Ich habe fast vier Monate damit verbracht, zu trauern und mich für meine Feigheit zu hassen, das ist nicht dasselbe. «
    Â» Und jetzt? «
    Â» Jetzt werde ich mir viel Zeit damit lassen zu überlegen, ob ich einen bestimmten Brief schreibe. «
    Â» An wen? Konrad? «
    Â» Ja. Es müsste ein Brief sein, der genau das ausdrückt, was ich ihm sagen will. Das kann dauern. «
    Mein Rucksack ist gepackt, das Taxi wird in wenigen Minuten hier sein. Vor mir liegen noch seine Zeichen auf dem Tisch. Die wortlos zu mir sprechende Karte, das Foto von der schutzbringenden Pest-Katze, die ihrer Befestigung verlustig gegangene Anklopf-Hand. Und die Zeichnungen: Sieben Bilder von seinem neuen Leben, die mir alles sagen, was ich wissen muss.
    Es geht ihm gut ohne mich.
    So soll es sein.

Nachbemerkung und Danksagung
    Die Zeilen aus dem Gedicht » Das Karussell « wurden zitiert nach: Rainer Maria Rilke. Die Gedichte. Insel Verlag. Frankfurt am Main 1986.
    Ein Sanatorium wie die Goldbachmühle existiert nicht, sämtliche darin lebenden Menschen sowie das Dorf Lennau und seine Bewohner sind frei erfunden.
    Dieser Roman ist meinem viel zu früh
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