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Die Liebe in Grenzen

Die Liebe in Grenzen

Titel: Die Liebe in Grenzen
Autoren: Veronika Peters
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drehe: Ich werde ihr nicht gerecht werden. Nicht weil sie so großartig gewesen wäre, das war sie gar nicht. Sie war einfach und schwierig, geradlinig schräg und verlässlich launisch, Letzteres manchmal sehr, und ich kann mir bis heute keinen Reim auf sie machen.
    Sie war meine alte Tante, eine, die mir einen Ort gegeben hat und Menschen, bei denen ich eine Zeit lang sein konnte; sie hat meine Sicht auf ein paar Dinge verändert, aber vielleicht trifft es auch das nicht genau. Sie hat eine Spur hinterlassen, von der ich gerne einen Gipsabdruck hätte. So ist das.
    Â» Irgendwann ist alles Vergangenheit«, sagte sie oft, wenn die Nachrichten liefen, » c’est la vie.«
    Ich habe ihr jedes Mal widersprochen. Ruth hielt es für Unsinn, sich dagegen aufzulehnen, wie es in der Welt zugeht. Menschen sterben, Häuser brennen ab, dagegen hatte sie im Großen und Ganzen nichts einzuwenden.
    Ich schon.
    Jetzt ist sie tot und das Palau ein Haufen Asche.
    Ich kann ohne sie. Aber ich will nicht, dass sie verschwindet.
    Ruth sagte: » Man wird nie jemandem gerecht.«
    Wenn das stimmt, ist es mir egal.
    Â» Was erzählt worden ist, bleibt.«
    Noch so ein Spruch.
    Dass man sich seine Verwandten nicht aussucht, trifft in unserem Fall nicht zu.
    Als ich Ruth kennenlernte, war sie dreiundsiebzig, ich neunundzwanzig, eine Differenz von vierundvierzig Jahren. Es stand also reichlich Lebenszeit zwischen ihr und mir. Aber ihr bot man nicht ungestraft den Sitzplatz an, ihr hielt man die Tür besser nur dann auf, wenn sie keine Hand frei hatte, und man nahm ihr höchstens etwas ab, wenn sie ausdrücklich den Befehl dazu erteilt hatte.
    Tante Ruth war eine Halbschwester meines Vaters, aus der ersten Ehe des Großvaters, und ich war überzeugt, dass niemand unseres Zweigs der Familie sie vorher kennengelernt hatte. Mein Vater wusste, dass sie existierte, seit Großvaters Tod auch, dass sie ein Hotel an der Ostsee betrieb. Bei der Hochzeit eines Vetters hatte er es mir nach dem siebten Glas Sekt erzählt. Nein, da war kein dunkles Geheimnis, versicherte er, nur ein blutjunger, ratloser Witwer, der sein Kind in die Obhut der Schwägerin gegeben hatte und später seine neue Familie nicht mit einem weiteren Mitglied belasten wollte. Dem Kind ging es gut dort, wo es war, es liebte seine Pflegeeltern, daran hatte der Großvater nicht rühren wollen und in eine Adoption eingewilligt. Fortan wurden die familiären Stränge in gegenseitigem Einvernehmen auseinandergehalten, auch finanziell. Das war alles.
    Ob der Großvater es sich da nicht ein bisschen einfach gemacht habe, fragte ich meinen Vater, und ob er selbst nie neugierig gewesen sei auf die unbekannte Schwester, zumindest auf eine mögliche andere Version der Geschichte, aber er zuckte mit den Schultern, sagte nein, und das sei nur eine von Tausenden solcher Geschichten aus dieser Zeit. Ich kannte meinen Papa gut genug, um ihn nicht weiter zu bedrängen, und so nahm ich mir vor, der Sache irgendwann selbst nachzugehen, was ich aber bald wieder vergaß, weil ich mich verliebt hatte und glaubte, Wichtigeres herausfinden zu müssen.
    Bis mir dann eines Tages wieder einfiel, dass es diese vergessene Tante gab, und ich mich auf den Weg machte, einfach so. Na ja. So einfach auch wieder nicht.
    Es gefiel mir zu sagen: » Ich fahre zum Palau.«
    Nicht dass mich jemand danach gefragt hätte. Ich erzählte es dem Bäcker, der Zeitungsfrau, meiner Freundin Manu, die ihr Gästezimmer anderweitig benötigte. » Macht mir nichts aus, dann fahre ich eben so lange ins Palau«, sagte ich und probierte den Satz noch ein, zwei Mal, bis ich ihn selbst glaubte. Es klang weit weg, und da wollte ich hin, auch wenn es nur ein Wochenende und bloß die Ostsee war. Zu diesem Zeitpunkt wäre ich überallhin gefahren, wo nicht Hamburg auf dem Ortsschild stand, am liebsten ans Meer, und für die Reise nach Halsung reichte mein Budget gerade noch. Eine Tante im Hotelgewerbe könnte interessant sein, unter Umständen eine Chance, dachte ich, Hauptsache, erst einmal weg von hier.
    Ursprünglich war es vielleicht ein Mangel an Alternativen, eine Verlegenheitslösung, eine Laune, wenn man so will, aber trotzdem: Ich habe sie mir ausgesucht.
    Ausgerechnet Palau. Vor der Abreise hatte ich in Manus Computer nachgeschaut und eine Unmenge von Einträgen gefunden. Ich schaute mir ungefähr die ersten fünfzig an,
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