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Die Liebe in Grenzen

Die Liebe in Grenzen

Titel: Die Liebe in Grenzen
Autoren: Veronika Peters
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an. Ich lächelte ihr zu und entspannte mich ein wenig. Der allererste Eindruck sprach für ein ganz anderes Szenario, als ich es auf Tamaras Station vorgefunden hatte. Egal, was hier sonst noch vor sich geht, dachte ich, es ist ein wunderschöner Ort.
    Beim Weitergehen bemerkte ich neben einem Busch eine kauernde Gestalt, die sich in olivgrüner Jacke mit aufgesetzter Kapuze kaum von der Umgebung abhob und völlig in die Beobachtung einer winzigen, für mich unsichtbaren Sache am Boden vertieft war. Da ich nicht rufen wollte, trat ich etwas fester auf den Kies, um meine Schritte deutlich hörbar zu machen. Ich näherte mich bis auf wenige Meter, blieb stehen, hustete.
    Keine Reaktion.
    Â» Hallo? «
    Nichts.
    Â» Haaallo! «
    Die Gestalt schüttelte sich leicht, richtete sich dann sehr langsam auf und entfaltete sich im Zeitlupentempo zu einem erstaunlich großen Jungen. Er sah mich an, schien zu warten, ob ich dem » Hallo « noch etwas hinzufügen wollte.
    Â» Guten Tag. Ich bin Katia Werner. «
    Der Junge sagte nichts.
    Â» Ich komme zum Vorstellungsgespräch. «
    Er klappte den Mund auf und wieder zu.
    Â» Kannst du mir sagen, wo ich Carmen finde? «
    Der Angesprochene straffte die Schultern, steckte beide Hände in die Hosentaschen.
    Â» Na gut, ich sehe mich mal im Haus um. Wollte nicht stören. «
    Der Junge atmete schwer, sah vor sich auf den Boden. Ich bereute, ihn angesprochen zu haben, wollte gerade weitergehen, als doch noch etwas aus ihm herauskam, weitaus lauter als angemessen gewesen wäre:
    Â» Grüne Haare! «
    Ich fuhr leicht zusammen, lächelte dann bemüht. » Schrill, ich weiß. Es wächst wieder raus, dann probiere ich eine andere Farbe. «
    Er nickte wissend.
    Â» Und wer bist du? «
    Â» Posttraumatische Belastungsstörung, sehr kurz vor einem Aggressionsschub « , ratterte es aus dem Mund des großen Jungen wie Gewehrschüsse.
    Â» Was? «
    Â» Ich! «
    Â» Oh. Tatsächlich? «
    Mein Gegenüber nickte bekräftigend.
    Â» Das wächst aber irgendwann auch wieder raus, oder? «
    Blöd, schoss es mir durch den Kopf, wie total blöd von dir! Also ob man Krankheiten wechseln konnte wie die Haarfarbe. Manu hatte völlig recht mit ihrer Einschätzung gehabt, was meine Eignung für die psychiatrische Erzieherinnenarbeit anlangte. Dieser Junge würde womöglich gleich ausrasten, mich beschimpfen, mir eine scheuern oder wie auch immer sonst der mutmaßlich von meiner mangelnden Sensibilität ausgelöste Aggressionsschub sich zeigen mochte.
    Er rastete aber nicht aus, sagte stattdessen in einem mild-geduldigen Ton, der mich regelrecht beschämte: » Posttraumatische Belastungsstörungen wachsen nicht einfach so raus. Solltest du das nicht wissen, wenn du dich hier bewirbst? «
    Scheiße, ja, dachte ich und sagte: » Natürlich weiß ich das. Entschuldige, war nicht ernst gemeint. «
    Der Junge nannte noch einmal seinen Befund, wobei er jede Silbe einzeln betonte. Diesmal war ich ihm regelrecht dankbar dafür.
    Â» So, jetzt habe ich das aber gespeichert. Versprochen! «
    Er schien mit meiner Antwort zufrieden zu sein, bewegte leicht die Mundwinkel, als überlegte er sich, noch zu lächeln. Ich atmete auf und wünschte mir, etwas anderes als die Diagnosen meiner Haarfarbe und seiner Erkrankung aus ihm herauszubringen.
    Â» Wie gesagt, ich bin Katia, aber wie heißt du? « , fragte ich.
    Er sah erneut auf den Boden, bohrte erst mit dem Absatz, dann mit der Fußspitze Löcher in den Kies, kratzte im Zeitlupenmodus ein sauberes Halbrund zwischen uns.
    Â» Michael Schulte. «
    Fast hatte ich schon nicht mehr damit gerechnet, dass er etwas sagen würde.
    Â» Das ist mein Name! « , fügte er hinzu.
    Bei näherer Betrachtung war er vermutlich gar nicht viel jünger als ich.
    Â» Freut mich, dich kennenzulernen, Michael Schulte. Wohnst du schon lange hier? «
    Er wich ein Stück zurück, widmete sich wieder dem Boden, stampfte Löcher, zog Halbkreise …
    Ich gab es auf.
    Als ich schon kurz vor dem Haus war, brüllte es hinter mir so laut, dass ich erschrocken zusammenfuhr: » Grün ist eine gute Farbe! Und Carmen ist meistens im Büro, die Tür am Ende des Gangs. Du kannst dich gar nicht verlaufen. «
    Â» Danke! «
    Â» Kannst Mischa sagen. «
    Er strahlte jetzt übers ganze Gesicht.
    Ich rief: » Danke,
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