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Die Leute mit dem Sonnenstich

Die Leute mit dem Sonnenstich

Titel: Die Leute mit dem Sonnenstich
Autoren: Horst Biernath
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damit Ihrer jungen Liebe ein allzu frühes Grab graben. Meine Kleine hat leider einen Kopf wie aus Eisen, und eine Beeinflussung, von welcher Seite sie auch kommen mag, würde Marion nur zum Widerstand und Widerspruch reizen und Ihre Wünsche — denen ich persönlich mit herzlichem Wohlwollen gegenüberstehe — von vornherein zum Scheitern verdammen.«
    Diesen Worten folgte ein kurzes Zwischenspiel, stumm nach außen, aber durch einen männlichen und festen Händedruck, den die Herren tauschten, innerlich um so beredter.
    »Wenn ich Ihnen einen guten Rat geben darf, mein lieber junger Freund, dann warten Sie auf eine Gelegenheit, Marion zu imponieren — als Mann, verstehen Sie? Verbergen Sie Ihre Gefühle vor meiner leider ein wenig unberechenbaren Tochter und warten Sie Ihre Zeit ab! Eine Zwischenfrage, lieber Freund: Sind Sie zufällig Sportsmann? Fußballer, Boxer, Hockeyspieler oder gar ein Tennismatador? Oder sind Sie vielleicht sogar Flieger?«
    Leider mußte Herr Steffen gestehen, daß seine Leistungen im Sport immer miserabel gewesen seien.
    »Ruhe und die Nase empor!« riet Marions Vater. »Was mich persönlich betrifft, so kann ich mit diesen Sportskerlen, bei denen die Muskelsubstanz zumeist die Hirnmasse bedeutend überwiegt, auch nichts anfangen. Ich habe in meinem ganzen Leben keinen Klimmzug fertigbekommen und möchte nur wissen, warum Marion so wild darauf ist, sich im Winter die Haxen beim Schilaufen und im Sommer beim Tennisspielen zu verrenken! Aber da es nun einmal so ist, kann man dagegen nichts machen. Unternehmen Sie vorläufig nichts und lassen Sie mich ein wenig nachdenken! Ich will sehen, was ich für Sie tun kann. Warten wir eine günstige Gelegenheit ab.«
    Diese Gelegenheit bot sich früher, als beide Herren es im Augenblick ahnten. Und ein merkwürdiger Zufall, der die Schicksale der Herren Keyser und Steffen sowie des Fräulein Marion Keyser mit dem Leben von Michael Prack und seiner Barbara verzahnte, hätte schon zu diesem Zeitpunkt zu einer Begegnung der fünf Personen führen können. Es war eigentlich nur ein Zufall im Zufall, daß es nicht geschah.
    Einige Tage nach der denkwürdigen Unterredung der beiden Herren geschah es nämlich, daß Herr Keyser während einer geschäftlichen Besprechung mit dem Leiter eines westdeutschen Verlages einen Schwächeanfall erlitt. Er wurde plötzlich blaß, auf seiner Stirn perlte Schweiß, der Pulsschlag setzte aus, und die Herren, die hinzusprangen, um ihn zu stützen und auf das Ledersofa seines Büros zu betten, glaubten schon, sein letztes Stündlein habe geschlagen. Ein doppelstöckiger Cognac brachte ihn wieder auf die Beine, aber Herr Keyser hatte das Gefühl, sozusagen einen Warnschuß vor den Bug erhalten zu haben. Er ließ sich noch am gleichen Nachmittag nach telefonischer Absprache mit Professor Wollsegger, einem sehr berühmten Internisten und Chef des Städtischen Krankenhauses, in die Klinik fahren. Da er kein popeliger Kassenpatient wie Michael Prack war, untersuchte ihn natürlich nicht der gute Dr. Schwenninger, sondern der >liebe Gott von der Inneren Abteilung<, wie Professor Wollsegger im Volksmund hieß, höchstpersönlich. Ein feiner Mann, der nur maßgearbeitete Mäntel aus weißer Seide trug und immer so aussah, als käme er gerade von einem vierwöchigen Schiurlaub aus Cortina oder von einer Segelregatta rund um die Kanarischen Inseln.
    »Na, dann woll’n wa uns mal ausziehn, lieba Herr Keyser mit Ypsilon«, sagte er jovial und mit einer Stimme, als spräche er mit einer leicht verdickten Zunge, die gegen die obere Zahnreihe ein wenig anstieß. Natürlich hatte er keinesfalls die Absicht, sich selber zu entkleiden, obwohl das >Wir<, das er gebrauchte, leicht zu dieser Ansicht verführen könnte. Er polierte vielmehr, während Herr Keyser den Oberkörper und noch einiges dazu frei machte, seine Fingernägel und deutete, als es soweit war, auf eine mit schwarzem Wachstuch überzogene Liege hin, über die eine assistierende sehr flotte Schwester, vor der Herr Keyser sich entsetzlich genierte, blitzschnell ein blütenzartes Leintuch breitete. Um es rundheraus zu sagen, eine sportliche Erscheinung konnte man Marions Vater nicht nennen.
    Der Professor, schlank und drahtig wie ein Tennischampion, beugte sich über ihn und betrachtete seinen Bauch mit leicht angewidertem Gesichtsausdruck, den Bauch, den sich Herr Keyser schließlich für ziemlich teures Geld zugelegt hatte. Und dann wurde Herr Keyser noch eine Weile behorcht
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