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Die letzten Tage von Hongkong

Die letzten Tage von Hongkong

Titel: Die letzten Tage von Hongkong
Autoren: John Burdett
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fluchten vor sich hin. Sie rissen Witze, die Aston nicht verstand, deren Derbheit er jedoch erahnte. Hinter den Obszönitäten steckte Angst, und hinter der Angst Ehrfurcht. Schließlich hatte brutale Gewalt vor allem etwas mit Macht zu tun.
    »Helfen Sie mir«, sagte Chan. »Die verdammten Chinesen rühren das Ding nicht an. Sie glauben, das bringt Unglück.«
    Aston schluckte und brummte etwas. Chan nahm eine Seite des Sacks, der oben mit einer dicken Schnur aus Polyester zugebunden war, Aston die andere, und gemeinsam hoben sie ihn hoch. Die Veränderung der Druckverhältnisse ließ Gase durch die Öffnungen des Sacks entweichen. Aston und Chan ließen ihn gleichzeitig fallen und begannen zu würgen. Ein ekelerregend süßlicher Geruch hing einen Augenblick lang in der Luft, bevor der Wind ihn forttrug. Mit angehaltenem Atem drückte Chan die Öffnung des Sacks herunter und verschloß sie mit den Enden des Nylonseils noch einmal. Sie hatten den Sack gerade wieder hochgenommen und trugen ihn schwankend über das schlingernde Boot zur Kabine, als das Knattern einer Maschinenpistole über das Wasser hallte.
    Halb eingehüllt vom Dunst, das Motorengeräusch noch übertönt von der wogenden See, rollte nur etwa fünfzig Meter von ihrem Heck entfernt ein anderes Boot, das ungefähr so groß wie das ihre war, aber älter und längst nicht so gut in Schuß. Drei Chinesen in abgetragenen grünen Uniformen, einer von ihnen mit einer Zigarette im Mundwinkel und einer AK47 im Anschlag, starrten sie übers Wasser an. Aston entdeckte am Bug des Bootes den roten Stern. Chan gab Aston ein Zeichen, den Sack abzustellen. Die Köpfe gaben ein glucksendes Geräusch von sich. Als Aston den Sack mit dem Fuß am Wegrollen hinderte, sah er, daß er nicht nur auf Plastik, sondern auch auf dunkelblonde menschliche Haare getreten war.
    Chan stolperte zur Reling und hielt sich daran fest, während er auf Kantonesisch etwas zu dem anderen Boot hinüberrief.
    »Gibt’s ein Problem?«
    »Das Problem sieht folgendermaßen aus, Erstgeborener: Sie haben sich verfahren. Die Gewässer hier gehören der Volksrepublik China. Was haben Sie da gerade herausgeholt?«
    » Lap sap: Müll. Und wir haben uns nicht verfahren.«
    »Ich glaube nicht, daß das Müll war, Erstgeborener. Und außerdem befinden Sie sich in China. Wie wär’s, wenn Sie uns den Sack geben? Dann lassen wir Sie wieder zurück nach Hause, statt Sie festzunehmen.«
    »Okay.« Chan rührte sich nicht von der Stelle.
    »Okay was?«
    Chan strich sich die Haare aus der Stirn. »Okay, nehmen Sie uns fest. Nehmen Sie uns fest und fressen Sie den Rest Ihres Lebens Scheiße. Wir sind hier in Hongkonger Gewässern.«
    »Froschkacke, Erstgeborener. Sagen Sie Ihren Leuten, sie sollen mal auf den Kompaß schauen.«
    Chan sah ihn voller Verachtung an. »Wir lassen unseren Kurs über Satelliten berechnen, der ist bis auf den Zentimeter genau. Hey, Kapitän, sagen Sie dem Mann in Grün, wo er ist.«
    Von der Kommandobrücke aus rief der Kapitän ein paar Zahlen auf Kantonesisch herunter.
    Die drei Beamten von der Küstenwache auf dem anderen Boot berieten sich kopfschüttelnd. Chans Kapitän war nicht auf den Kopf gefallen. Die gesamte Mannschaft des Polizeiboots starrte ungerührt über das rotchinesische Boot hinweg.
    »Unser Kompaß sagt was anderes.«
    »Und wo ist euer Kompaß hergestellt worden?«
    »In China.«
    »Genau.«
    Wieder berieten sich die drei Beamten von der Küstenwache.
    »Geben Sie uns den Sack, Erstgeborener, und hören Sie auf, die Revolution zu beleidigen. Vor zehn Jahren hätten wir Sie dafür noch getötet.«
    »Warum wollen Sie ihn?«
    Der Beamte von der Küstenwache zuckte mit den Achseln. »Befehle.«
    »Hat man Ihnen auch befohlen, in Hongkonger Gewässer einzudringen?«
    Der Beamte von der Küstenwache nahm einen langen Zug aus seiner Zigarette und warf die Kippe ins Meer.
    »Wie heißen Sie, Erstgeborener?«
    »Charlie.«
    »Wie?« Der Beamte von der Küstenwache versuchte Chans Spitznamen zu wiederholen. »Gar-ha-lie?«
    »Bringt man euch da drüben denn gar nichts bei?«
    »Ich habe Ihnen schon gesagt, beleidigen Sie nicht die Revolution.«
    Der Beamte von der Küstenwache spielte an seiner AK47 herum. Chan und Aston ließen sich aufs Deck fallen. Chan hörte schallendes Gelächter.
    »Die Macht kommt aus den Gewehrläufen«, sagte der Beamte der Küstenwache.
    Chan zog sich an der Reling hoch. »Haben Sie sich sicher selber ausgedacht.«
    Der Beamte von der
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