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Die letzten Tage von Hongkong

Die letzten Tage von Hongkong

Titel: Die letzten Tage von Hongkong
Autoren: John Burdett
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Regierungsbüros, während Chan zum Central District zurückging. Eine Digitaluhr in einem Uhrenladen in der Queen’s Road zeigte noch weniger als zweieinhalb Millionen Sekunden bis zur Stunde X an: Noch achtundzwanzig Tage, dann wäre Xian der Kaiser von Hongkong.
    Die Mittagszeit ging zu Ende. Die Gehsteige quollen über von Menschenmassen, die dahintrieben wie Unrat in einem Fluß nach der Schneeschmelze. Chan ging noch langsamer als die anderen, weil er sich alle chinesischen Gesichter, die ihm entgegenkamen, genauer ansah. Xian hatte ihn einen »guten Chinesen« genannt – und der war er auch, trotz seiner westlichen Züge.
    Das hier war sein Volk, er liebte es. Er hatte es warnen wollen, und sein Beschützerinstinkt hatte ihn dazu verleitet, es zu unterschätzen. Jetzt sah er, daß sich die Gesichter der Chinesen in den beiden Jahrzehnten, in denen er vor Zorn gekocht hatte, verändert hatten. Die Wut hatte ihn blind gemacht; er hatte sich verhalten, als seien er, Jenny und Mai-mai die einzigen Opfer des chinesischen Massenmordes gewesen. Diese Menschen hier, die sich zurück zur Arbeit kämpften, sie wußten, was sie zu erwarten hatten. Alle warteten auf das Ungeheuer. Manche würden gehen, aber die meisten würden bleiben.
    Chan würde bleiben. Es war besser, eine östliche Realität zu leben als ein westliches Trugbild. Der alte Meister Lao Tsu hatte es am besten ausgedrückt: Der Sprung des Tigers ist selbst jetzt, da er sich in der Mitte des Bogens befindet, der zu deinem sicheren Tod führen wird, bedeutungslos. Das gilt für all die Zehntausende geschaffener Dinge. Von Bedeutung ist nur die merkwürdige Tatsache, daß du in diesem Augenblick am Leben bist.
    Zumindest glaubte er, daß der Text von Lao Tsu stammte. Er sah auf die Uhr. Halb drei. In einer Stunde würde eine Frau aus dem Westen, deren Brüste er sehr bewunderte, am Flughafen von Kai-Tak landen. Sie war eine Diebin und eine Lügnerin, und er hoffte, daß ihr das Leben in einer kleinen Wohnung in Mongkok gefallen würde, Tiger und andere Ungeheuer hin oder her.
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