Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die letzten Tage

Die letzten Tage

Titel: Die letzten Tage
Autoren: Dana Kilborne
Vom Netzwerk:
Unbekannten zu bringen. Doch die Wand bereitete ihrer Rückwärtsbewegung ein jähes Ende.
    „Was … hast du hier zu suchen?“, stieß sie keuchend aus. „Und wie bist du überhaupt hier hereingekommen?“
    Er schüttelte den Kopf. „Keine Angst“, sagte er leise. „Ich werde dir nichts tun. Ich will nur mit dir reden.“
    „Mit mir reden?“ Grazia kam das Ganze so surreal vor, als würde sie noch immer träumen. Doch dies war kein Traum, sondern die Wirklichkeit. „Nein! Verdammt, du dürftest überhaupt nicht hier sein!“
    Ihr Puls raste, was nicht allein an dem Schock lag, nach dem Aufwachen aus diesem schrecklichen Albtraum einen Eindringling in ihrem Schlafzimmer vorgefunden zu haben.
    Nein, der Grund dafür war dieser Typ selbst – und die Tatsache, dass er sogar in den skurrilsten Situationen ihr Herz höher schlagen ließ.
    Sie schluckte. War sie denn von allen guten Geistern verlassen? Statt den Unbekannten weiterhin anzustarren, sollte sie besser um Hilfe rufen! Patrizia hielt sich nur ein paar Räume weiter in der Küche auf. Wenn Grazia angestrengt lauschte, konnte sie das leise Klirren von Tellern und Tassen hören, die beim Spülen gegeneinanderstießen. Ihre Freundin würde nur Sekunden brauchen, um zu ihr zu gelangen!
    Aber bis dahin wäre er längst verschwunden. Und genau deshalb tust du es nicht, sagte sie sich. Du willst überhaupt nicht, dass er geht!
    „Unsinn“, murmelte Grazia. Sie merkte erst, dass sie ihren Gedanken laut ausgesprochen hatte, als er sie fragend musterte. Ärgerlich funkelte sie ihn an. „Wer bist du überhaupt? Wenn du schon ungebeten hier eindringst, könntest du mir wenigstens verraten, wie du heißt!“
    „Zacharias“, entgegnete er, und die Weise, wie er seinen Namen aussprach, verlieh diesem einen exotischen Klang. „Aber die meisten Menschen nennen mich Zack.“
    Die Menschen … Grazia runzelte die Stirn. Was für eine seltsame Art, sich auszudrücken! Sie schüttelte den Kopf. Bist du verrückt geworden, einfach hier herumzusitzen und Small Talk zu halten? Der Typ könnte ein Mörder sein, schon vergessen?
    Es stimmte ja, sie hatte ihn zum ersten Mal in der Nähe eines Tatorts gesehen, und sein Verhalten konnte man nicht gerade als unverdächtig bezeichnen. Commissario Tozzi hätte ihn unter den gegebenen Umständen sicher auf der Stelle verhaftet. Allein die Tatsache, dass er einfach so in ihre Wohnung eingebrochen war, lieferte dazu genug Veranlassung. Aber was tat sie?
    Er sieht nicht aus wie jemand, der kaltblütig drei Menschen umgebracht hat, ging es ihr durch den Kopf. Ärgerlich verwarf sie den Gedanken sofort wieder. Wenn man einer Person einfach so ansehen könnte, dass sie dazu fähig war, ein derartiges Verbrechen zu begehen, würde sich die Polizeiarbeit weitaus leichter gestalten.
    Und außerdem umgab ihn irgendetwas … Wie immer, wenn sie angestrengt nachdachte, wickelte sie sich eine Haarsträhne um den Zeigefinger. Sie fand nicht die richtigen Worte, um zu beschreiben, was sie meinte. Düster und mysteriös kam der Wahrheit wohl am nächsten.
    Sie betrachtete ihn noch einmal eingehend. Anders als vorhin auf dem Friedhof war er jetzt vollständig bekleidet. Die locker sitzende Stoffhose hatte er gegen eine dunkelgraue Jeans getauscht, dazu trug er einen schwarzen Rollkragenpullover und schwere Lederstiefel. Sein schwarzes Haar, inzwischen getrocknet, sah aus, als wäre er nach dem Aufstehen einfach nur einmal kurz mit der Hand durchgefahren. Es wirkte auf eine fast schon kunstvolle Art und Weise unordentlich.
    Die ganze Zeit über hatte sie es vermieden, ihm direkt in die Augen zu schauen. Als sie es jetzt tat, war es wieder genauso wie die beiden Male zuvor – und zugleich vollkommen anders. Die Geräusche um sie herum – der Regen, der gegen die Fensterscheibe prasselte, die leisen Klavierklänge aus der Wohnung der jungen Musikstudentin unter ihr – traten in den Hintergrund, bis Grazia nur noch das Klopfen ihres Herzens und ihren eigenen zittrigen Atem hören konnte.
    Sie wartete auf die Kälte, doch das Gefühl, als ob flüssiges Eis durch ihre Adern floss, blieb aus. Stattdessen erfüllte sie plötzlich eine wohlige Wärme. Die Konturen der Wohnung lösten sich auf, und mit einem Mal fand sie sich auf einer grünen Wiese wieder. Die Sonne stand hoch am strahlend blauen Himmel, ein lauer Wind zupfte an ihrem Haar, und leises Vogelgezwitscher erfüllte die Luft. Alles, was Grazia empfand, war Frieden. Und Zacharias stand da,
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher