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Die letzten Tage

Die letzten Tage

Titel: Die letzten Tage
Autoren: Dana Kilborne
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Schatten zu sehen, der noch schwärzer war als die Dunkelheit, die ihn umgab. Sie fing an zu rennen. Das Echo ihrer Schritte hallte von den Wänden des tunnelartigen Ganges wider.
    Was tust du hier eigentlich? Vor wem läufst du davon?
    Abrupt blieb sie stehen und lauschte in die Finsternis.
    Nichts.
    Abgesehen von ihrem eigenen, gehetzten Atem und dem hämmernden Pochen ihres Herzens konnte sie nichts hören.
    Keine Schritte.
    Langsam ging sie weiter. Das Gefühl, verfolgt zu werden, lauerte noch immer im Hintergrund, bereit, jederzeit erneut zuzuschlagen. Doch die verdächtigen Geräusche waren verschwunden. Erneut gab sie den Ereignissen des Tages die Schuld an ihrer übertrieben heftigen Reaktion.
    Ohne weitere Zwischenfälle erreichte sie ihr Apartment, das sich im Dachgeschoss des Gebäudes befand. Fast hatte sie schon wieder vergessen, was vorgefallen war, als sie durch die Wohnungstür trat.
    „Grazia? Bist du das?“, hörte sie ihre Mitbewohnerin Patrizia von der Küche aus rufen. „Das Essen ist gleich fertig. Wie war dein Tag?“
    Achtlos schleuderte Grazia ihre Tasche in die Ecke und ging in die Küche. Zu Hause, dachte sie, als ihr der Geruch von Patrizias Spezial-Pastasauce in die Nase stieg. Der Stress der vergangenen Stunden fiel von ihr ab, und ein Lächeln umspielte ihre Lippen.
    Patrizia war eine hübsche Rothaarige mit frechen Sommersprossen, der die Männer auf der Straße hinterherpfiffen. Für einen Moment ließ sie ihre Töpfe aus den Augen und drehte sich zu Grazia um. „Hey, Kleine, was ist denn mit dir los? Du siehst ja total fertig aus. Ich dachte, du wolltest bloß auf den Friedhof, wie jeden Sonntag.“
    Grazia setzte sich an den Küchentisch und seufzte. „Da war ich auch – und auf dem Rückweg bin ich auf einen weiteren Toten gestoßen.“
    „Was?“ Sofort vergaß Patrizia die auf dem Herd vor sich hinblubbernde Pastasauce sowie die Spaghetti. „Aber das ist ja …“ Sie ließ sich neben Grazia auf den zweiten Stuhl fallen und ergriff ihre Hand. „Du Ärmste! Wie geht es dir? Bist du in Ordnung?“
    Kurz überlegte Grazia, ihrer Mitbewohnerin von diesem mysteriösen Mann zu erzählen. Sie entschied sich dagegen, ohne den Grund dafür benennen zu können. Irgendetwas schien sie daran zu hindern, über ihn zu sprechen. Vermutlich hatte sie ihn deswegen auch Commissario Tozzi gegenüber nicht erwähnt.
    „Es geht schon, ich …“ Sie zuckte mit den Schultern und zwang sich zu einem Lächeln. „Ach, wem versuche ich, hier eigentlich etwas vorzumachen? Mir zittern immer noch die Knie, wenn ich daran denke. Dabei sollte man doch eigentlich meinen, dass ich in meinem Job mit solchen Dingen inzwischen einigermaßen klarkommen müsste, oder?“
    Missbilligend runzelte Patrizia die Stirn. „Du meinst, bloß weil du noch so etwas wie Mitleid und Anteilnahme empfinden kannst, bist du eine schlechte Polizistin?“
    „Ist es denn nicht im Grunde genommen so?“
    „No!“ , widersprach ihre Freundin vehement. „Der Unterschied zwischen deinen Kollegen und dir ist nur der, dass sie mittlerweile so abgestumpft sind, dass sie den Grausamkeiten, die Menschen sich Tat für Tag aufs Neue gegenseitig antun, gleichgültig gegenüberstehen. Ich kann mir beim besten Willen nicht vorstellen, dass du sie darum wirklich beneidest. Und außerdem hast du viel mehr auf dem Kasten als diese selbstverliebten Machos!“
    „Mach das mal dem Commissario klar“, stöhnte Grazia. „Er weigert sich nach wie vor hartnäckig, meine Theorie bezüglich der Morde überhaupt in Betracht zu ziehen. Und das, obwohl nun schon das dritte Opfer aufgetaucht ist, das das Zeichen der Bruderschaft trägt.“
    Unbehaglich verzog Patrizia das Gesicht. „Na ja, du musst zugeben, dass die ganze Geschichte schon ziemlich abgefahren klingt. Ein Geheimbund, der es sich zur Aufgabe gemacht hat, irgendein angeblich heiliges Artefakt zu beschützen, und dessen Mitglieder nun eines nach dem anderen um die Ecke gebracht werden?“
    „Du glaubst mir also auch nicht“, stellte Grazia nüchtern fest.
    „Natürlich glaube ich dir! Ich versuche nur, dir klarzumachen, wie diese haarsträubende Story auf Außenstehende wirken muss.“
    Äußerst widerwillig musste sie sich eingestehen, dass ihre Freundin recht hatte. Vermutlich würde sie selbst nicht daran glauben, hätte ihr Vater nicht all die Jahre …
    Rasch verdrängte sie den Gedanken an ihn. Soweit es sie betraf, existierte ihr Vater gar nicht mehr. Er hatte sich vor vielen
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