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Die letzten Tage

Die letzten Tage

Titel: Die letzten Tage
Autoren: Dana Kilborne
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Jahren entschieden, sie aus seinem Leben zu streichen, und irgendwann war es ihr gelungen, dasselbe mit ihm zu tun. Sie wollte nicht über ihn sprechen – ja, sie wollte nicht einmal mehr an ihn denken!
    „Vielleicht sollte ich mal mit diesem Commissario Tozzi sprechen“, schlug Patrizia vor und riss Grazia damit aus ihren Grübeleien. „Gib mir einfach seine Nummer – ich kümmere mich dann schon darum, dass er und die anderen Idioten aus deiner Abteilung dich zukünftig mit etwas mehr Respekt behandeln.“
    Allein die Vorstellung, dass ihre resolute Mitbewohnerin sich Tozzi vorknöpfte, zauberte ein Lächeln auf Grazias Gesicht. „Wenn du wüsstest, wie unglaublich verlockend das klingt – aber ich denke, ich werde mit diesem Problem schon allein fertig, vielen Dank.“ Sie unterdrückte ein Gähnen. Mit einem Mal fühlte sie sich schrecklich müde und ausgelaugt. „Weißt du was, ich glaube, ich gehe heute ausnahmsweise mal früh zu Bett.“
    „Und was ist mit dem Essen? Ich … Ach du lieber Himmel, die Pasta!“ Sie sprang wie von der Tarantel gestochen auf und eilte zurück zu ihren Spaghetti, die schon seit fast fünfzehn Minuten vor sich hinköchelten.
    Grazia nutzte die günstige Gelegenheit, um jedem weiteren Protest zu entgehen und sich still und leise auf ihr Zimmer zurückzuziehen.
    Nachdem sie ihre Schlafsachen – ein altes, viel zu weites T-Shirt und Shorts – übergezogen und sich die Zähne geputzt hatte, war Grazia auf direktem Wege ins Bett gegangen. Obwohl sie so müde war, dass ihre Glieder sich schwer wie Blei anfühlten, dauerte es noch fast eine Stunde, ehe ihr endlich die Augen zufielen. Und als sie eingeschlafen war, träumte sie von ihm .
    Sie standen mitten auf einem riesigen ovalen Platz, den Grazia sofort als den Petersplatz identifizierte – nur dass dieser, anders als sonst, vollkommen menschenleer war. Umso eindrucksvoller wirkten die mächtigen vierfachen Kolonnaden, die ihn umrahmten, und die gewaltige Kuppel des Petersdoms, die bis in den strahlend blauen Himmel zu ragen schien.
    Der Fremde schaute sie einfach nur an. Es war, als ob der Blick seiner eisblauen Augen geradewegs in ihr Innerstes vordringen würde, als ob ihm nicht einmal ihre geheimsten Wünsche und Sehnsüchte verborgen blieben. Sie versuchte gar nicht erst, ihn davon abzubringen. Zu ihrer eigenen Überraschung fühlte es sich gut, ja sogar richtig an. Sie spürte einfach, dass sie ihm vertrauen konnte.
    Aber kannst du das wirklich? Woher willst du das wissen?
    Und dann veränderte sich plötzlich alles. Der Himmel über ihnen färbte sich rötlich – es sah aus, als würde jemand Blut in ein Wasserglas tropfen lassen. Schwarze Wolken rasten viel zu schnell daran entlang, und die Luft war erfüllt von einem stechenden Geruch, der Grazia an Schwefel erinnerte.
    „Was geht hier vor?“, fragte sie und blickte sich entsetzt um.
    Auf einmal begann der Boden unter ihren Füßen zu zittern. Das Beben wurde immer heftiger und stärker, bis die berühmten Kolonnaden des Petersplatzes wie eine Reihe Dominosteine umstürzten und die von Michelangelo entworfene Domkuppel in sich zusammenbrach.
    Und während die Welt um sie herum unterzugehen schien, stand er einfach nur da und starrte sie an.
    „Wer bist du?“, schrie sie gegen das ohrenbetäubende Brüllen an, dessen Quelle sie nicht ausmachen konnte. „Was geschieht hier?“
    Bevor er antworten konnte, brach direkt vor Grazia die Erde auf. Sie versuchte, sich mit einem Sprung nach hinten in Sicherheit zu bringen – es war zu spät.
    Sie schrie, als sie in den gähnenden Abgrund stürzte.
    Und sie schrie noch immer, als sie schweißgebadet in ihrem Bett hochfuhr.
    Einen schrecklichen Moment lang wusste sie nicht, wo sie sich befand. Das Herz schlug ihr bis zum Hals. Sie hatte das Gefühl, keine Luft mehr zu bekommen. Erst nach einigen qualvollen Sekunden gelang ihr ein langer, zitternder Atemzug.
    Kraftlos ließ sie sich in ihr Kissen zurücksinken. Was für ein Traum! Er war so echt gewesen, so … real!
    Kurz schloss sie die Augen, und als sie sie wieder öffnete, hockte jemand am Fußende ihres Bettes. Das Mondlicht, das durch die halb zugezogenen Vorhänge ins Zimmer fiel, war zwar sehr schwach, dennoch erkannte sie ihn sofort.
    Es war der Typ mit den eisblauen Augen.

3. KAPITEL
    Ein erstickter Schrei kam über Grazias Lippen. Erschrocken kroch sie auf dem Bett zurück und versuchte, so viel Abstand wie möglich zwischen sich und dem mysteriösen
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