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Die letzten Tage

Die letzten Tage

Titel: Die letzten Tage
Autoren: Dana Kilborne
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Gesicht geschnitten. Die herrlichen grüngrauen Augen, die vollen weichen Lippen … Doch anstelle von freudigem Erkennen hatte sie ihn mit einer Mischung aus Furcht und Verwirrung angestarrt, und Zack war sich seines Irrtums bewusst geworden.
    Das aber machte die Unbekanntenicht weniger faszinierend. Er hatte keine Ahnung, wie er hierhergekommen war. Das Letzte, woran er sich erinnern konnte, war dieser immer wiederkehrende Traum, der ihn nun schon seit Wochen jede Nacht schweißgebadet aus dem Schlaf schrecken ließ.
    Nur eines war ihm absolut klar: Es musste etwas mit dieser Frauzu tun haben.
    „Wie oft denn noch, Bassani? Ich habe weder Lust noch Zeit, irgendwelchen Phantomen hinterherzujagen!“
    Wie gebannt beobachtete Grazia, wie die Zornesader auf der Stirn ihres Vorgesetzten im Rhythmus seines Herzschlags pulsierte. Sie wusste, dass unter ihren Kollegen heimlich Wetten darüber abgeschlossen wurden, wie viel Zeit Commissario Tozzi noch bis zu einem ersten Infarkt blieb. Angesichts der Tatsache, dass er mit Abstand der aufbrausendste Mensch war, den sie jemals kennengelernt hatte, fürchtete Grazia das Schlimmste für ihn. Vor allem, da ausgerechnet sie selbst es war, die ihn regelmäßig zur Weißglut trieb.
    Dennoch kam es für sie nicht infrage, einfach klein beizugeben, nur um ihn milde zu stimmen. Sie gehörte nicht zu den Menschen, die stets den Weg des geringsten Widerstands wählten. Wenn sie an etwas glaubte, dann war sie auch bereit, dafür zu kämpfen.
    „Mit einer Phantomjagd hat das nicht das Geringste zu tun, und das wissen Sie genau!“ Energisch verschränkte sie die Arme vor der Brust. „Die Tätowierungen beweisen ganz eindeutig, dass alle drei Opfer Mitglieder der Bruderschaft der letzten Tage waren! Meinem Vater ist es zwar nie gelungen, nachzuweisen, dass die Gruppe nach wie vor existiert, aber er war sich sicher, dass es keinesfalls mehr als zwei Dutzend Mitglieder auf der ganzen Welt gibt. Zwei davon liegen bereits auf dem Obduktionstisch unseres Gerichtsmediziners, ein drittes Mitglied ist unterwegs. Und Sie wollen ernsthaft weiterhin behaupten, dass der Täter bei der Wahl seiner Opfer rein willkürlich vorgeht? Das kann einfach nicht Ihr Ernst sein!“
    Ihre Kollegen, die damit beschäftigt waren, den Tatort zu sichern, schafften es, so zu tun, als gingen sie vollkommen in ihrer Arbeit auf. Dabei wusste Grazia genau, dass jeder von ihnen versuchte, so viel wie möglich von dem Disput zwischen ihr und dem Commissario mitzubekommen. Schon allein deshalb durfte sie sich jetzt keine Blöße geben.
    Sie war erst seit ein paar Monaten beim Dipartimento Cinque. Nach ihrer Ausbildung an der Akademie hatte sie zunächst zwei Jahre bei der Kriminalpolizei mit Schwerpunkt Jugendkriminalität gearbeitet. Doch diese kurze Zeit bei der Mordkommission hatte ausgereicht, um festzustellen, dass hier mit harten Bandagen gekämpft wurde. Wer akzeptiert werden wollte, musste seine Ellbogen einsetzen. Und als einzige Frau unter Männern, dazu mit gerade einmal zweiundzwanzig Jahren, hatte Grazia es gleich doppelt schwer – was jedoch keineswegs bedeutete, dass sie sich vom machohaften Gehabe ihrer Kollegen beeindrucken ließ.
    „Vielleicht sollte ich mit meinem Verdacht ja auch lieber gleich zum Polizeidirektor gehen, wenn Sie sich weiterhin weigern, mich anzuhören“, sagte sie, nachdem Tozzi nur mit den Schultern zuckte.
    Jetzt kniff er feindselig die Augen zusammen. „Ich warne Sie, Bassani, treiben Sie es nicht auf die Spitze! Wenn Sie versuchen, sich mit mir anzulegen, werden Sie den Kürzeren ziehen.“ Grollender Donner unterstrich die Warnung, die drohend in der Luft hing.
    Grazia schluckte die bissige Erwiderung, die ihr auf der Zunge lag, mühsam herunter. Sie war wütend und frustriert darüber, dass ihr Vorgesetzter sich selbst jetzt noch sträubte, ihre Theorie überhaupt in Betracht zu ziehen. Und das alles, weil sich einfach niemand eingestehen wollte, dass in den wirren Thesen eines verrückten alten Altertumsforschers womöglich doch ein Körnchen Wahrheit steckte.
    Den Thesen von Umberto Bassani – ihrem Vater.
    „Er findet Tag für Tag aufs Neue statt“, hatte er immer zu ihr gesagt, damals, ehe das Jugendamt sie von ihm wegholte, „überall auf der Welt: der Krieg zwischen den Kräften des Lichts und denen der Finsternis.“
    Er behauptete, dass es nur eine Handvoll Menschen gäbe, die darüber Bescheid wüssten, und – je nachdem, wie sie sich entschieden hätten – eine
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