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Die letzten Tage

Die letzten Tage

Titel: Die letzten Tage
Autoren: Dana Kilborne
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immer zweifelte, fügte sie energisch hinzu: „Wirklich!“
    Doch ganz so spurlos, wie sie behauptete, waren die Ereignisse des Abends nicht an ihr vorübergegangen. Fast schämte sie sich ein wenig dafür, dass nicht der bedauernswerte Tote vom Friedhof für ihre Verwirrung und ihre aufgewühlten Gefühle verantwortlich war.
    Nein, es war Zacks Schuld.
    Er spukte in ihren Gedanken herum, und wenn sie die Augen schloss, war es sein Gesicht, das sie sah. Seine scharf geschnittenen Züge, wie von einer antiken griechischen Götterbüste, die hohen Wangenknochen und diese unglaublichen Augen, die sie jedes Mal in ihren Bann zogen, wenn sie hineinblickte …
    „Sag mal, kann es sein, dass du jemanden kennengelernt hast?“ Patrizias Stimme holte sie wieder in die Realität zurück. Ihre Freundin grinste. „Erzähl mir nichts, Grazia Bassani, ich kenne doch diesen Blick. Du bist verknallt, stimmt’s? Sag schon, wer ist es? Kenne ich ihn? Und wann hattest du vor, es mir zu sagen? Ich …“
    „Aufhören!“ Grazia schüttelte wieder den Kopf. „Bitte!“
    Patrizia wirkte irritiert. „Aber …“
    „Nein!“, unterbrach sie ihre Mitbewohnerin. „Hör zu, da gibt es nichts zu berichten. Ich war in meinem ganzen Leben noch nie verliebt, und ich bin es auch jetzt nicht. Ende der Durchsage!“
    Sie stand so hastig auf, dass der Küchenstuhl dabei umkippte, und flüchtete zurück in ihr Zimmer. Ihr war klar, dass Patrizia die Sache nicht auf sich beruhen lassen würde, doch im Augenblick fühlte sie sich nicht in der Lage, sich den Fragen ihrer Freundin zu stellen. Ganz einfach, weil ihr die Antworten fehlten. Nur eines stand fest: Mit Liebe hatte das alles ganz bestimmt nichts zu tun, denn daran glaubte sie schon sehr lange nicht mehr. Deshalb hatte sie auch immer einen Rückzieher gemacht, wenn es mit einem Typen einmal ernster zu werden drohte: Sie wollte einfach niemandem etwas vorspielen. Und so etwas wie Ehe und Familie kam für sie ohnehin nicht infrage.
    Sie trat ans Fenster, das auf die Straße hinausreichte, und lehnte ihre Stirn an das kühle Glas. Regentropfen liefen von außen an der Scheibe herunter, sodass sie die Welt dahinter nur verschwommen erkennen konnte.
    Unten, auf der gegenüberliegenden Straßenseite, stand eine Gestalt im schwachen Lichtkreis einer Laterne. Bildete sie es sich nur ein, oder blickte sie zu ihr nach oben?
    War er es etwa? Zack?
    Grazia verzichtete darauf, das Fenster zu öffnen, um nachzusehen. Sie lief auch nicht nach unten. Denn sie wusste genau, wenn er es wirklich war, würde er verschwunden sein, sobald sie ihn auch nur eine Sekunde aus den Augen ließ.

4. KAPITEL
    Das Büro von Commissario Tozzi befand sich, abgetrennt von dem Großraumbüro, in dem Grazia und ihre Kollegen arbeiteten, in einem rechteckigen Glaskasten im vorderen Teil des Raumes. Das war wohl auch der Grund, warum man ihm den passenden Beinamen „Aquarium“ gegeben hatte, während Tozzi selbst hinter vorgehaltener Hand „Haifisch“ genannt wurde.
    Und genau so fühlte Grazia sich, als sie am Morgen nach dem dritten Leichenfund zu ihrem Vorgesetzten zitiert wurde: Als würde sie zur Fütterungszeit mitten in einem Haifischbecken schwimmen. Der Commissario schaute sie an, als würde er sie am liebsten auffressen, und ihre Kollegen waren das Publikum. Zwar gaben sie alle vor, gänzlich in ihre Arbeit vertieft zu sein, doch Grazia wusste, dass sie in Wahrheit aus den Augenwinkeln heraus alles genau beobachteten und auch die Ohren spitzten, um ja kein Wort zu verpassen, das durch die halb offen stehende Bürotür drang.
    „Ich erwarte, nein, ich verlange von Ihnen, dass Sie endlich damit aufhören, irgendwelche wilden Spekulationen, die jeder Grundlage entbehren, durch die Gegend zu posaunen. Haben Sie das verstanden, Bassani?“
    Grazia brauchte nicht lange zu überlegen, um zu wissen, von welchen Spekulationen er sprach. Warum er aber behauptete, dass sie öffentlich über ihren Verdacht gesprochen hatte, war ihr ein Rätsel.
    „Bitte,Signore,ich verstehe nicht …“
    Mit einer harschen Handbewegung brachte Tozzi sie zum Schweigen. Er öffnete die oberste Schublade seines Schreibtisches und holte eine Zeitung daraus hervor, die er Grazia entgegenwarf. „Hier, schlagen Sie Seite vier auf – vielleicht beantwortet das Ihre Fragen!“
    Nichts Gutes ahnend, tat Grazia, was er gesagt hatte – und atmete scharf ein. Im unteren Drittel der Seite prangte ein grobkörniges Foto von ihr, das sie bei der
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