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Die letzte Nonne - Bilyeau, N: Die letzte Nonne

Die letzte Nonne - Bilyeau, N: Die letzte Nonne

Titel: Die letzte Nonne - Bilyeau, N: Die letzte Nonne
Autoren: Nancy Bilyeau
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Gruppe von Schwestern hat beschlossen, nach der Auflösung von Kloster Dartford zusammenzuleben«, sagte die Priorin. »In anderen Klöstern ist Ähnliches beschlossen worden. Einige unter Euch werden zu ihren Familien zurückkehren, doch andere werden ihre Renten zusammenlegen und in ein gemeinsames Haus ziehen, nicht weit von hier, und versuchen, nach den dominikanischen Regeln zu leben. Eine Klausur wird es nicht geben, aber Ihr könnt so weit wie möglich so zu leben versuchen, wie es Euren Vorstellungen nahe kommt.«
    Wir waren in einer der letzten Lebenswochen des Klosters und hatten uns alle im Kapitelsaal versammelt.
    »Viele der größten Klöster unterwerfen sich dem Willen des Königs«, fuhr sie fort. »Bis zum Ende dieses Jahres oder vielleicht des nächsten werden meiner Ansicht nach alle unsere Klöster aufgelöst sein.«
    Ich senkte den Kopf.
    »Das Schicksal von Kloster Dartford ist besiegelt«, sagte sie. »MehrereAdelige, sogar ein Kirchenmann, haben sich um das Kloster beworben, aber der König hat entschieden, dass Dartford nicht in andere Hände übergehen soll. Es wird königliches Eigentum werden.«
    Wir hielten unsere Tränen nicht zurück. Obwohl wir alles schon vor Monaten erfahren und uns darin geübt hatten, unser neues Schicksal anzunehmen, war dieses Ende einer jahrhundertelangen Tradition ein niederschmetternder Schlag. König Heinrich hatte uns unsere Heimat gestohlen. Und jetzt standen wir vor einem kargen, der reichen Schönheit unseres Glaubens entleerten Leben.
    Die Priorin sagte: »Cambridge schickt uns einen Bruder zur Verteilung der Renten, da wir keinen Cellerar mehr haben.« Einen Moment lang drohte sie die Haltung zu verlieren beim Gedanken an Bruder Richard. Dann fasste sie sich wieder. »Schwester Joanna und ihr kleiner Verwandter werden nächste Woche nach Stafford Castle abreisen. Bruder Edmund und Schwester Winifred werden sie auf dieser Reise begleiten. Nach seiner Rückkehr wird Bruder Edmund sich bemühen, seine Tätigkeit im Hospital des Dorfes weiterzuführen, nicht mehr als Dominikanerbruder, sondern als Apothecarius und Heiler.«
    Alle murmelten beifällig.
    »Und jetzt«, schloss die Priorin, »werden wir uns in die Weberei begeben, um uns das neue Werk anzusehen, das soeben unter der Leitung von Schwester Joanna vollendet worden ist.«
    Wir hatten die Tapisserie in der Weberei aufgehängt, damit alle sie betrachten konnten. Ich wartete stolz davor, bis alle da waren.
    »Für ihr letztes Werk hat Schwester Helen die alte griechische Sage von Ikarus gewählt«, erklärte ich, »und ich möchte Euch die Geschichte jetzt gern erzählen.«
    Auf einer Seite der Tapisserie war ein alter Mann am Meeresgestade zu sehen. »Das ist Dädalus, ein begabter Handwerker. Ein grausamer König hielt ihn und seinen Sohn Ikarus auf der Insel Kreta gefangen. Aber sie wollten frei sein. Sie bauten sich Flügel, um in die Freiheit zu fliegen.«
    Ich wies auf den schönen jungen Mann in der Mitte des Bildes, der, mit gewaltigen weißen Schwingen ausgestattet, zu einer glühenden Sonne aufstieg.
    »Der Vater hatte Ikarus gewarnt, der Sonne nicht zu nahe zu kommen, aber sie war so schön, so großartig, dass er nicht widerstehen konnte. Er flog zu hoch   …« Meine Stimme brach. »Er flog zu hoch   …« Ich konnte nicht weitersprechen. Auch die Nonnen, bemerkte ich, kämpften mit den Tränen. Wir wussten alle, warum Schwester Helen diese Sage für die letzte Tapisserie aus Dartford ausgewählt hatte.
    Schwester Winifred trat vor. »Ikarus’ Flügel, die von Wachs zusammengehalten wurden, schmolzen und verbrannten in der Sonne, und er stürzte ins Meer«, erklärte sie. Ich war ihr unendlich dankbar für ihre Hilfe und ihre Kraft. »Aber Schwester Helens Absicht war es nicht, den Sturz des Ikarus zu zeigen«, fuhr sie fort. »Sie wollte seinen mutigen Aufstieg zeigen. Und das ist es, was Schwester Joanna und wir anderen Euch jetzt auch zeigen wollen.«
    Wir Nonnen von Dartford feierten gemeinsam den kühnen Flug des Ikarus. Und dann läuteten die Glocken, und wir schritten zur Kirche, um gemeinsam das Lob Gottes zu singen.
     
    Eine Woche später brachen Arthur und ich zusammen mit Bruder Edmund und Schwester Winifred auf. Die Geschwister, die ich so lieb gewonnen hatte, würden noch einmal für kurze Zeit nach Dartford zurückkehren und das Kloster dann gemeinsam mit den anderen verlassen. Ich würde es nie wiedersehen.
    Bruder Edmund richtete den Sattel auf dem grauen
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