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Die letzte Nacht der Unschuld

Die letzte Nacht der Unschuld

Titel: Die letzte Nacht der Unschuld
Autoren: India Grey
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keiner von ihnen beiden rührte ihn an. Hinter Colleens Schläfen pochte es dumpf, während sie nach den richtigen Worten suchte.
    „Deshalb ist es so wichtig für dich, zu gewinnen, ich weiß“, setzte sie heiser an. „Um deiner Mutter zu beweisen, dass du Erfolg hast. Aber du brauchst nichts mehr zu beweisen.“
    „Doch. Meinem Sohn.“ So, wie er es sagte, klang es schrecklich endgültig.
    „Er wird dich auch so lieben, ganz gleich, was du tust.“ Es war ihr nicht möglich, die Verzweiflung aus ihrer Stimme zu verbannen. „Für sein Kind ist ein Vater immer ein Gott, ob er nun Busfahrer oder Rennfahrer ist.“
    Cristiano lächelte mit eiskalten Augen. „Und genau deshalb sollte ich etwas tun, um diesen Respekt zu verdienen. Sonst findet er eines Tages heraus, dass ich ein Nichts bin.“
    „Du bist kein Nichts.“ Plötzlich fror sie erbärmlich. Sie wickelte den Morgenmantel fester um sich. „Du bist Legastheniker, Cristiano, das macht dir das Lesen und Schreiben schwer. Aber Legasthenie ist weder selten noch tödlich. Obwohl es in deinem Falle tödlich enden könnte, weil sich die Lese-Schreibschwäche bei dir mit einem unsinnigen Stolz kombiniert, sodass du meinst, dich ständig beweisen zu müssen.“
    Er stand auf und sah sie mit ausdruckslosem Blick an. „Du wusstest es die ganze Zeit?“
    „Ja.“ Tränen brannten hinter ihren Lidern. „Ich wusste es, weil du mir früher einmal genug vertraut hast, um mir davon zu erzählen. Du fühltest genug für mich, um es mich wissen zu lassen. Ich ging auf die Suche nach dir, in der Hoffnung, dass es noch immer so wäre. Doch der Unfall hat dich alles vergessen lassen. Ich habe mir so gewünscht, dass du wieder so fühlen würdest. Aber das tust du nicht.“
    Sein Gesicht war wie eine steinerne Maske. Er hob die Hände, ließ sie dann aber wieder sinken. „Ich habe dich schon einmal gebeten, mich zu heiraten. Doch du hast abgelehnt.“ Seine Stimme klang rau wie Sandpapier. „Nun frage ich dich ein zweites Mal, dieses Mal nicht um Alexanders willen, um ihm eine Familie zu bieten, sondern für uns. Denn ich …“
    „Nein, Cristiano.“ Sie schluchzte. „Ich kann nicht mein ganzes Leben mit der Angst leben, dich zu verlieren. Ich kann nicht auf der Tribüne oder zu Hause am Fernsehschirm sitzen und dir dabei zusehen, wie du dich umbringst. Und ich kann nicht von Geld leben, das du verdienst, indem du dein Leben riskierst.“
    Er trat zurück, das Gesicht so hart, als wäre es aus Marmor gehauen. „Du bist also lieber nicht glücklich, weil du dann sicher sein kannst, dass du das Glück nie verlierst?“
    Colleen zwang sich, ihn anzusehen, auch wenn der Schmerz unerträglich war. Langsam schüttelte sie den Kopf. „Ich wäre nicht glücklich.“
    Bei dem Geständnis schloss Cristiano für einen kurzen Moment die Augen. Als er sie wieder öffnete, war keine Regung mehr auf seiner Miene zu erkennen.
    „In diesem Falle werde ich dich nicht wieder fragen“, sagte er harsch. „Mein Anwalt wird sich wegen Alexander mit dir in Verbindung setzen. Ich hoffe, wir können uns gütlich arrangieren.“
    Er drehte sich um und ging. Colleen blieb reglos in der Küche stehen und lauschte auf das Röhren des sich entfernenden Wagens, bis es von der Stille verschluckt wurde.

14. KAPITEL
    Colleen ging wieder arbeiten.
    Es gehörte zum Prozess des Weitermachens, des Aufsammelns der Scherben. Dominic hatte ihr frei gegeben, solange Alexander sich erholte. Aber dem Jungen ging es wieder so gut, dass sie ihn nicht mehr jede Minute beaufsichtigen musste. Wahrscheinlich war er bei ihrer Mutter sogar besser aufgehoben. Dann brauchte er nämlich keine Angst davor zu haben, dass sie ihn für jede Nichtigkeit anherrschte oder mitten im Satz in Tränen ausbrach.
    Die neugierigen Blicke der Kollegen ertrug sie mit stoischer Geduld – Colleen Edwards, die graue Maus, war die Geliebte von Rennfahrerlegende Cristiano Maresca und die Mutter seines Kindes.
    Früher oder später würden die Kollegen herausfinden, dass Ersteres nicht mehr stimmte.
    Während Colleen in der kleinen Küche darauf wartete, dass das Wasser kochte, nahm sie die Zeitung zur Hand, die jemand auf der Mikrowelle abgelegt hatte. Ihre Augen überflogen die Schlagzeilen, ohne dass sie wirklich etwas wahrnahm. Sie hatte völlig den Bezug zum Rest der Welt verloren, wie ihr schuldbewusst auffiel.
    Plötzlich stutzte sie. Zuerst dachte sie, ihre Fantasie würde ihr einen Streich spielen, als ihr Blick an einem Foto
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