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Die letzte Nacht der Unschuld

Die letzte Nacht der Unschuld

Titel: Die letzte Nacht der Unschuld
Autoren: India Grey
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hängen blieb, auf dem ein Mann mit dunklen Haaren zu sehen war. Dann drängte sich langsam die Bedeutung der Schlagzeile in ihren betäubten Verstand.
    Campano-Rennstall besorgt über Marescas unbeständige Performance
    Colleens Mund war plötzlich trocken, und ihre Hände zitterten so stark, dass sie Mühe hatte, die Zeitung zu halten, um den Artikel zu lesen.
    Cristiano Marescas mit Spannung erwartetes Comeback dürfte dem Campano-Team einige Kopfschmerzen bereiten. Die Performance des zweiunddreißigjährigen italienischen Rennfahrers bei der Qualifikation ist Berichten zufolge sprunghaft und schwankend. Zwei Tage soll er gar nicht erst erschienen sein.
    „Cristiano hat sich vor dem Rennen einige Tage freigenommen, um eine persönliche Angelegenheit zu regeln“, heißt es laut Stellungnahme durch Suki Conti von Campano. „Wenn er am Wochenende antritt, wird er das mit voller Konzentration und hundertprozentiger Hingabe tun.“
    „Ah, hier bist du.“ Dominic steckte den Kopf zur Tür herein. „Ich hatte nach dir gesucht.“
    „Ich verstecke mich vor den Schaulustigen. Ich habe schon von Leuten gehört, denen es angeblich Spaß macht, sich Autounfälle und andere Katastrophen anzusehen, aber ich hätte nie geglaubt, dass es sie wirklich gibt.“
    Dominic kam in den Raum und legte ihr den Arm um die Schultern. Als er sah, welchen Artikel sie las, seufzte er schwer. „Irgendwie habe ich das Gefühl, dass du noch nicht so weit bist. Warum nimmst du dir nicht den Rest der Woche frei? Deine Projekte laufen doch alle, im Moment kannst du hier so oder so nicht viel tun.“
    Sie wollte schon behaupten, dass alles mit ihr in Ordnung sei, als ihr aufging, was Dominic wirklich meinte: Sie stand mehr im Weg, als dass sie eine Hilfe war. Bedrückt fuhr Colleen zu ihrer Mutter. Sie klingelte und sah Margarets schockierte Miene. Ein Stich durchfuhr Colleen. Trauer bestimmte seit zwanzig Jahren Margarets Leben. Wann immer es an ihrer Tür klopfte, erwartete sie einen ernsten Polizisten mit einer Hiobsbotschaft.
    „Was ist, Liebes?“ Nervös trocknete sie sich die Hände an der Schürze ab. „Wieso bist du schon hier? Ich hatte dich erst um fünf erwartet, wie immer. Ist etwas passiert?“
    Colleen holte bebend Luft und lehnte sich für einen Moment an die vertraute Tapete in der Diele. „Nein … ja … Oh, Mum.“
    Und dann fiel sie ihrer Mutter in die Arme. Die Tränen, die sie zurückgehalten hatte, seit Cristiano gegangen war, strömten jetzt aus ihren Augen und benetzten die Strickjacke ihrer Mutter.
    „Colleen, Liebes?“
    „Ich bin hier.“
    Die Tür zu Wills Zimmer ging auf. Margaret kam herein, zwei Becher mit dampfendem Tee in der Hand, die sie auf dem Nachttisch abstellte.
    „Macht es dir etwas aus, dass ich hier reingegangen bin?“, fragte Colleen ihre Mutter leise und nahm einen der Becher.
    Margaret wickelte die Strickjacke enger um sich und sah sich um. Alles war noch genau wie an dem Abend, als Will sich die neue Jeans angezogen hatte, um mit Freunden auszugehen. Selbst die Poster seiner Helden hingen noch an den Wänden, auch wenn die Leute in Wirklichkeit längst älter geworden waren.
    Einschließlich eines Posters von Cristiano, jünger und draufgängerischer als heute, aber ebenso umwerfend attraktiv.
    „Nein, Liebes, es macht mir nichts aus. Ich komme selbst öfter hier herein. Um Staub zu wischen oder auch einfach nur, um … um mich ihm näher zu fühlen, glaube ich.“
    Nachdem sie sich ausgeweint hatte, war eine erstaunliche Ruhe über Colleen gekommen. Sie hatte das Gefühl, viel klarer denken zu können. „Wie bist du damals mit Dads Tod fertig geworden?“, fragte sie leise.
    „Manche würden sagen, ich sei überhaupt nicht damit fertig geworden.“ Margaret nahm ihre Tasse auf und wischte den feuchten Ring ab, den sie auf dem Holz hinterlassen hatte. „Der Arzt verschrieb mir damals Pillen. Sie haben geholfen, das Schuldgefühl zu mildern. Und die Leute waren alle sehr nett und verständnisvoll zu mir …“
    Colleen sah sie fragend an. „Wieso Schuldgefühl? Dad ist auf dem Weg zur Arbeit verunglückt.“
    Margaret nippte an ihrem Tee. „Wir haben uns an jenem Morgen gestritten, bevor er aus dem Haus ging. Wegen irgendeiner Kleinigkeit, die völlig aus dem Ruder lief.“ Sie lächelte Colleen traurig an. „Ich weiß nicht einmal mehr, was es war. Aber es verfolgt mich noch heute. Manchmal denke ich noch immer, dass ich für den Unfall verantwortlich bin. Weil ich deinen Vater
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