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Die Leiche am Fluß

Die Leiche am Fluß

Titel: Die Leiche am Fluß
Autoren: Colin Dexter
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können Sie doch nicht machen! Wenn die Sie und mich gleichzeitig verlieren, können sie hier doch einpacken.»
    «Für mich wären es ja sowieso nur noch zwei Jahre.»
    «Sie haben also diesen Formularkram auch gekriegt?»
    Morse nickte.
    «Und etwa auch schon ausgefüllt?» fragte Strange ganz fassungslos.
    «Noch nicht, nein. Wenn ich Formulare sehe, krieg ich sofort Kopfschmerzen.»
    Stranges Mondgesicht strahlte. «Genau dasselbe hab ich zu meiner Frau gesagt.»
    «Könnte sie Ihnen nicht beim Ausfüllen ein bißchen unter die Arme greifen?»
    «Angeblich kriegt sie dann auch sofort Kopfschmerzen.»
    Die beiden Männer lachten.
    «Na ja, wenn ich…» sagte Morse vorsichtig. «Wir könnten ja mal zusammen...»
    «Würden Sie das tun? Also, da fällt mir direkt ein Stein vom Herzen. Wir sollten gleich nächste Woche ein Bier trinken gehen, ich kaufe eine Schachtel Aspirin...»
    «Zwei Bier wären besser.»
    «Und zwei Schachteln Aspirin.»
    «Gemacht.»
    «Na bestens! Jetzt also zum zweiten, sehr viel wichtigeren Punkt.»
    Morse zog die Augenbrauen hoch. « Sehr viel wichtiger als die Pension?»
    «Sagen wir: Etwas wichtiger.»
    «Mord?»
    «Mord.»
    «Noch einer?»
    «Derselbe. McClure.»
    «Den bearbeitet Phillotson.»
    «Nicht mehr.»
    «Aber...»
    «Seine Frau ist krank. Sehr krank. Sie übernehmen den Fall.»
    «Aber...»
    «Sie haben keine schwerkranke Frau. Sie haben nämlich gar keine Frau.»
    Dagegen war nichts zu sagen. «Ist Lewis...»
    «Ich hab ihn kurz in der Kantine gesprochen. Kommt her, sobald er seine Setzeier mit Pommes verdrückt hat. Im übrigen...» Strange wuchtete seinen schweren Körper mühsam aus dem Sessel hoch. «Im übrigen hab ich das Gefühl, daß Phillotson mit dem Fall sowieso nicht sehr weit gekommen wäre.»
    «Ich höre immer Gefühl...»
    «Was dagegen?» blaffte Strange. «Haben Sie so was nie?»
    «Hin und wieder...»
    «Wenn Sie zuviel getrunken haben.»
    «Oder zuviel durcheinander. Ein paar Pints und eine Flasche Wein zum Beispiel...»
    Strange nickte. «Dann gehen wir wohl demnächst gemeinsam auf den Gefühlstrip. Mit ein paar Pints und einer Packung Aspirin.»
    Er machte die Tür auf und sah sich noch einmal das Namensschild an. «Vielleicht brauchen wir die Türschilder doch nicht zu ändern, Morse.»

2

    Wie der süße Apfel, der an dem höchsten Ast, dem allerletzten Zweiglein reift,
    Den der Pflücker vergaß — nein, nicht vergaß, sondern nicht bekam, denn bisher hat keiner ihn erlangt.
    (D. G. Rossetti, Übersetzung aus Sappho)

    Erst zum zweitenmal übernahm Morse eine Mordermittlung, deren erste — und unvermeidlich dramatischste — Phase bereits abgeschlossen war: die Entdeckung der Tat, die Aufgeregtheiten der Medien, die Ermittlungen am Tatort, der Abtransport der Leiche.
    Man käme sich vor wie jemand, der fünfundzwanzig Minuten zu spät zu einem Fußballspiel kommt und seinen Nebenmann fragen muß, wie es steht, hatte Lewis sehr treffend bemerkt. Leider konnte er mit diesem Bonmot bei Morse nicht recht landen, denn dessen Leben wäre nicht wesentlich ärmer gewesen, wenn der Ballsport nie erfunden worden wäre.
    In gewisser Hinsicht war Morse sogar ganz froh, daß ihm die Untersuchung der Leiche am Tatort erspart geblieben war. Beim Anblick eines gewaltsam zu Tode gekommenen Menschen begann es unweigerlich in seinem Bauch zu rumoren. Und Felix McClure war, wie er wußte, sehr gewaltsam zu Tode gekommen, es war viel Blut geflossen, das — inzwischen angetrocknet und schmutzigbraun — innerhalb der Kreidelinie auf dem beigefarbenen Teppich sicher noch deutlich zu sehen war. Einer Kreidelinie, die jene Stelle bezeichnete, an der man das Opfer mit einer schlimmen Messerwunde im Unterbauch gefunden hatte.
    «Was haben die da oben gegen Phillotson?» fragte Lewis auf der Fahrt nach North Oxford.
    «Nichts. Nur daß er einigermaßen inkompetent ist. Nein, mal im Emst: Es ist wegen seiner Frau, sie ist operiert worden, und irgendwas muß schiefgegangen sein.»
    «Unterleib?»
    «Fragen Sie mich was Leichteres, Lewis. Ich weiß ja nicht mal genau, was man als Unterleib definiert. Scheußliches Wort übrigens.»
    «Ich meine ja nur.»
    «Und ich antworte ja nur. Das mit seiner Frau wird schon wieder. Er war heilfroh, daß er aussteigen konnte.»
    «Aber der Super meint, daß er den Fall sowieso nicht gepackt hätte?»
    «Hätte er auch nicht. Er ist nicht gerade der Schlaueste im Revier.»
    Lewis streifte den Mann auf dem Beifahrersitz, den Mann mit den
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