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Die Leiche am Fluß

Die Leiche am Fluß

Titel: Die Leiche am Fluß
Autoren: Colin Dexter
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verhülltem Ärger auf. «Sie sehen doch, daß mir nur noch ein einziges Wort fehlt, Lewis! Alle anderen habe ich glatt in sechs Minuten geschafft, und ohne diese Störung...»
    «Tut mir leid.»
    «Nein, das nehme ich zurück. Seit zehn Minuten sitze ich jetzt hier und starre das verdammte Ding an.»
    «Kann ich helfen?»
    «Sollte mich sehr wundern.»
    «Ich könnte es doch mal versuchen.»
    Widerstrebend reichte Morse ihm das Blatt. «Freund und Gefährte», las Lewis. Drei der neun Buchstaben hatten sich bereits ergeben: . L . . H . . . N.
    Wenig später warf Lewis das Handtuch. Er hatte sich redlich Mühe gegeben, einen brauchbaren Vorschlag zu machen und bei seinem Vorgesetzten Punkte zu sammeln, aber ihm war einfach nichts eingefallen.
    «Wenn es Ihnen recht ist, Sir, würde ich mich heute vormittag gern mal ein bißchen in St. Aldate’s umsehen, vielleicht finden wir doch eine Verbindung zwischen diesen Einbrüchen in North Oxford.»
    «Viel Glück. Aber vergessen Sie nicht, daß ich auch dort wohne. Daß Sie den Typen bloß nicht meine Adresse geben...»

    Sobald Lewis weg war, nahm sich Morse wieder sein Kreuzworträtsel vor. Daß er nicht alle Kästchen ausfüllen konnte, passierte selten, meist war er sogar ziemlich schnell fertig. Hätte er jetzt einen doppelten Scotch, würde ihm die Antwort sicher förmlich in die Augen springen. Aber es war erst 8.35 Uhr, und —
    Moment mal... Freund und Gefährte? Scotch! Er zählte nach. Die Zahl der Buchstaben kam nicht hin, aber vom Ansatz her war die Idee nicht schlecht. Das mußte er gelegentlich mal Lewis erzählen...
    Doch Lewis sollte erst viele Monate später durch Zufall erfahren, welches Wort seinem Chef im Kreuzworträtsel der Times vom 25. Mai 1994 gefehlt hatte, einem Tag, an dem (wie sich im nachhinein herausstellen sollte) soviel Bedeutsames geschehen war.

TEIL EINS

1

    Pension: eine bestimmte Geldsumme, die gealterten Mietlingen nach lebenslanger leidlicher Pflichterfüllung meist widerwillig zugebilligt wird.
    (Small’s Enlarged English Dictionary, 12th Edition)

    Am 31. August 1994 kurz nach zwölf Uhr saß Chief Inspector Morse an seinem Schreibtisch im Präsidium der Thames Valley Police in Kidlington, Oxfordshire, als das Telefon läutete.
    «Morse? Sie sind ja noch da! Und ich dachte, Sie sitzen schon im Pub.»
    Morse überhörte den Spott und bestätigte Chief Superintendent Strange, er sei in der Tat noch da.
    «Zweierlei, Morse... aber ich komme am besten mal selber vorbei.»
    «Soll ich nicht...?»
    «Bewegung tut mir gut. Findet meine Frau.»
    Nicht nur deine Frau, kommentierte Morse halblaut, nachdem er aufgelegt hatte, und machte zwischen den Aktenbergen ein Stück Schreibtischplatte frei.
    Fünf Minuten später kam Strange schwerfällig hereingetappt und ließ sich in den Besuchersessel sinken.
    «Jetzt werden Sie ja vielleicht Ihr Türschild ändern müssen.»
    Strange und Morse waren nicht befreundet, aber sie hatten auch nie gegeneinander gearbeitet, und Morse nahm deshalb die gutmütigen Frotzeleien des Superintendent nicht übel, die an der Tagesordnung waren, nachdem der Sheehy-Bericht vor einem halben Jahr empfohlen hatte, den Rang des Chief Inspector abzuschaffen. Er frotzelte höchstens zurück, denn auch dem Chief Superintendent drohte durch diesen Bericht die Herunterstufung.
    Schwer atmend und deutlich vergrätzt schüttelte Strange den Kopf. «Es ist wie eine Degradierung in der Army. Ausgesprochen... ausgesprochen...»
    «Herabsetzend?» schlug Morse vor.
    Strange sah ihn scharf an. «Entwürdigend wollte ich sagen. Trifft es bedeutend besser. In meiner Muttersprache kenne ich mich nämlich aus.»
    Nicht schlecht, dachte Morse und überlegte, wie schon so oft, daß er und seine Kollegen gut daran taten, den Chief Superintendent nicht zu unterschätzen.
    «Was kann ich für Sie tun, Sir? Zweierlei, haben Sie gesagt...»
    Strange zögerte einen Augenblick. «Na ja... das ist die eine Sache. Das, wovon wir eben gesprochen haben. Sie haben sicher schon gehört, daß ich nächstes Jahr aufhöre.»
    Morse nickte zurückhaltend.
    «Und ebendarum geht es. Um die Pension.»
    «Die Pension wird davon nicht berührt.»
    «Glauben Sie?»
    «Bestimmt nicht. Es muß eben alles seine Ordnung haben, deshalb bekommt man diesen Haufen Formulare...»
    «Woher wissen Sie das?» Strange hob rasch den Kopf, und jetzt war es Morse, der ein wenig mit der Antwort zögerte.
    «Ich — äh — denke auch daran, aufzuhören, Sir.»
    «Das
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