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Die Leiche am Eisernen Steg (German Edition)

Die Leiche am Eisernen Steg (German Edition)

Titel: Die Leiche am Eisernen Steg (German Edition)
Autoren: Frank Demant
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schlug einen sehr formellen Ton an: „Hallo, Esther.“
    „Hallo, Simon. Ich wollte mich persönlich bei dir bedanken. Ohne dich hätte meine Oma mich nie angerufen. Ach, wie bin ich froh, daß ich jetzt die Wahrheit kenne. Du glaubst gar nicht, was ...“
    „Das war doch nichts“, unterbrach er. Wie immer hatte es Esther geschafft, sein Herz aufgehen zu lassen. Aber das war bei einer so sanftmütigen Seele wie Herrn Schweitzer auch gar nicht so schwer. „Außerdem muß ich mich bedanken. Du hast Maria und mir einen wunderbaren Urlaub beschert.“ Er drückte Maria an sich.
    Danach waren Karin und Weizenwetter dran. Laura wurde von ihm übersehen. Sie war Luft. Eindeutig hatte sie den Straftatbestand der Nötigung erfüllt. Kein Richter dieser Welt würde sie je davon freisprechen. Die Kündigung bedurfte nur noch einer formaljuristischen Klärung. Sollte sie doch unter die Brücke ziehen. Oder zu einem ihrer komischen Lover. Er, Herr Schweitzer, würde diesbezüglich gnadenlos sein.
    In halsbrecherischem Tempo hatte Herr Schweitzer Handkäs, Grüne Soße und Vanilleeis verschlungen und sich damit die Hochachtung von Gabi, der Wirtin, und Helmut, dem Wirt, erworben. Zudem war er zu der Erkenntnis gelangt, daß immerfort nur ausländisch essen die Geschmacksnerven abtötet. Es geht doch nichts über die lokale Frankfurter Spezialitätenküche. Je länger man darauf verzichtet, desto besser mundet sie. Auswärtige mögen anders darüber denken. Aber die haben sowieso wenig Ahnung von der Materie.
    Just als Bruder Mond Schwester Sonne ablöste, verabschiedeten sich Karin und Weizenwetter. Von Herrn Schweitzer aus hätte dies auch Laura Roth tun können, doch hatte seine Untermieterin die Zeichen der Zeit noch nicht erkannt. Das sie belastende Spruchband lag zusammengerollt unterm Tisch. Vielleicht, überlegte Herr Schweitzer, kann Laura es ja noch als Matratzenersatz verwenden, wenn die Nächte unter der Brücke zu kalt werden. Milde hatte sie keine mehr zu erwarten.
    Beim zweiten Bembel Apfelwein erreichten Herrn Schweitzers Reiseerzählungen ihren Höhepunkt. Da aber Maria anwesend war, hielt sich das Ausschmücken und Übertreiben im handelsüblichen Rahmen. Besonders interessiert war natürlich Esther, als er auf den Besuch bei ihren Großeltern zu sprechen kam. Offenbar hegte sie keinerlei Groll gegen Hermann Bauer.
    Bei Bembel Nummer drei und vier wurde ganz allgemein über das Dritte Reich diskutiert. Übereinstimmung herrschte in dem Punkt, daß sich die Menschen damals nicht groß von denen von heute unterschieden. Wenige waren von Grund auf gut. Viele für das Böse empfänglich. Doch den meisten ging es nur um ihren eigenen Vorteil. Maria meinte, gerade wir Deutschen seien für das, was damals passierte, geradezu prädestiniert gewesen. Ein paar klägliche Jährchen Republik, aber ansonsten durch und durch von preußischem Gedankengut durchsetzt, und wenn sie, Maria, Hitler gewesen wäre, hätte sie sich auch dieses Volk für ihre perversen Phantasien ausgewählt. Einen fruchtbareren Boden für Hitlers und Goebbels Propagandamaschinerie konnte man nirgends finden. Noch heute sei es ja so – die 68er-Generation hin oder her –, daß regierungskritische Zeitungen oder Fernsehberichte von einem Großteil der Bevölkerung ignoriert wurden und man sich stattdessen lieber mit
Wetten daß, Musikantenstadl
, nachmittäglichen Gerichtsshows und der Regenbogenpresse verlustierte. Und wenn man diese Leute dann daraufhin anspricht, so hört man allenthalben, man wolle nach einem harten Arbeitstag doch einfach nur noch abschalten. Woraufhin Laura sagte, genau, da brauche man doch nur die von der Regierung offiziell publizierte Arbeitslosenzahl zu nehmen. Die ganzen Trottel hierzulande glauben doch tatsächlich, wir hätten so um die fünf Millionen Erwerbslose, dabei waren in dieser Statistik weder die Obdachlosen, die Kurzarbeiter, die mit ABM-Tätigkeiten Beschäftigten, die Vorruheständler noch diejenigen enthalten, die es einfach nur aufgegeben hatten, sich um Arbeit zu kümmern, sei es, weil der Partner genug verdiente oder man mit den Ersparnissen noch eine Weile auskam. Außerdem, so fügte Herr Schweitzer nun hinzu, dürfe man auch diejenigen nicht vergessen, die sich arbeitstechnisch ins Ausland abgesetzt haben. Und, was ihn am meisten wunderte, kaum einer begehrte noch auf, obwohl die Zahl der Arbeitslosen prozentual wohl ähnlich hoch wie in der Vor-Hitler-Ära sein dürfte. Zwar könne er, Herr
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