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Die Legenden der Albae: Die Vergessenen Schriften (German Edition)

Die Legenden der Albae: Die Vergessenen Schriften (German Edition)

Titel: Die Legenden der Albae: Die Vergessenen Schriften (German Edition)
Autoren: Markus Heitz
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dem Blut des Toten auf den Leib gemalt worden waren, ließen keinen Zweifel daran, dass sie ihn ebenfalls umbringen wollten.
    Ich hatte mit mehr Ungetreuen gerechnet. Drâcoràs blickte sich lange um, doch er entdeckte niemanden sonst, der sich am Ritual beteiligte. »Ihr beiden«, sprach er währenddessen, »habt euch der Abkehr schuldig gemacht. Die Beweise sind eindeutig.«
    »Endlich! Oh, wie ich mich freue, dich zu sehen! Ich sage mich von den Infamen los!«, rief die Blonde der Albinnen sofort und erhob sich. Flehend reckte sie die blutverschmierten Arme, ohne jedoch den Dolch fallen zu lassen. »Schau! Ich wurde gezwungen! Sonst hätten sie mich geopfert.«
    »Lügnerin!«, hielt die Braunhaarige dagegen und sprang auf die Füße. Sie warf ihre Waffe vorsichtig auf die Erde. » Sie ist die Priesterin! Sie wob einen Zauber und …«
    Drâcoràs richtete das rechte Schwert auf die beiden, und sie verstummten. »Wir sind die Inagsàri.« Erst dann drehte er den Kopf, der Blick seiner dunkelblauen Augen traf sie. »Die Unauslöschlichen haben das Gebot erlassen, dass den Infamen nicht mehr zu huldigen ist und den alten Riten abgeschworen werden muss.« Die Waffenspitze zeigte nun auf die Leiche. »Die Unauslöschlichen dulden nicht länger Götter, die kostbares Albaeblut verlangen.« Etwas leiser fügte er hinzu: »Wie konntet ihr nur? Dazu noch einen Säugling! Welche Gunst vermag ein Infamer zu gewähren, dass es diese Taten rechtfertigt?«
    Die Brauhaarige deutete erneut anklagend auf die andere Albin. »Sie tut es, damit die Felder mehr Ertrag bringen, behauptet sie.«
    Hëironî betrat in der Zwischenzeit die Scheune lautlos von der anderen Seite, Tólanôri kletterte leise durch das Fenster. Die beiden Veteraninnen hielten sich im Schatten und warteten auf das Zeichen ihres Anführers. Ishînaia fehlte noch.
    Die Blonde gab das Verstellen auf. »Ich gebe Ríodh’ogîs, was er verlangt. Dafür wächst so viel Korn an den Rispen, dass ich damit halb Dsôn ernähren kann«, giftete sie. »Ich gebe zwei läppische Leben an einen Infamen, und dafür verhindere ich eine Hungersnot und den Tod von Tausenden! Was ist daran schlecht?«
    »Kam dir in den Sinn, dass deine Äcker von Samusin gesegnet sind? Er wacht über uns. Er und unsere Schöpferin Inàste wissen, was sie den Unauslöschlichen raten müssen, damit unser Volk nicht zugrunde geht«, hielt Drâcoràs mit Abscheu vor so viel Verblendung dagegen. »Wem gehört das Kind?«
    »Sie hat es ihrer Tochter abgenommen«, haspelte die Braunhaarige. »Das arme Mädchen freute sich so über ihren Nachwuchs, und nun soll …«
    Mit einer schnellen Bewegung versetzte die Blonde ihr einen Dolchstich mitten in die Brust. »Nimm dieses Leben, Ríodh’ogîs!«, rief sie voller Inbrunst. Der Rauch verwirbelte schneller, die Fratze erschien deutlich. Zischend brannten die kleinen Flämmchen um das schmurgelnde Herz. »Es sei dein!«
    Die Braunhaarige taumelte keuchend zur Seite und stürzte neben den Säugling.
    »Nimm ihre Unendlichkeit und …«
    Drâcoràs machte einen raschen Schritt nach vorne und rammte ihr das Schwert mitten durch den Mund, sodass weitere Worte von der Klinge erstickt wurden. »Deine Unendlichkeit ist vertan. Dein Tod heißt Drâcoràs, und ich nehme dir das Leben anstelle der Unauslöschlichen. Von dir wird nichts bleiben, nicht einmal dein Name.« Die Spitze trat im Nacken aus, Blut rann über die Lippen und die Haut im Genick, dumpf aufkeuchend brach die Albin zusammen.
    Dass die Einfältigen nie aussterben. Drâcoràs kippte das Kohlebecken mit dem Fuß um, sodass das Herz aus dem heiß lodernden Feuer herauskullerte und kokelnd auf den Gang rollte. Die Fratze im Rauch löste sich indes auf, als hätte es sie niemals gegeben. Einem Infamen vertrauen. Närrin.
    Der Alb durchsuchte die Ungetreuen, die er so oder so umgebracht hätte. Die Unauslöschlichen verbaten jede Gnade, jedes Mitleid. Der Glaube an die Infamen sollte mitsamt ihren Trägern ausgerottet werden.
    Drâcoràs sah es nur als eine Frage der Zeit an, wann die bloße Erwähnung der alten Götternamen unter Strafe stand. Bis dahin musste jeder Hinweis auf sie und ihre vermeintliche Existenz verschwunden sein.
    Da ist es ja. In einer Tasche der Blonden fand er einen kleinen Beutel, aus dem er einen bemalten Zahn und ein Gebeinstückchen schüttelte. Artefakte und Relikte. Stets der gleiche Huldigungszinnober der Ungetreuen. Er schob die Reste zwischen die glühenden Kohlen und
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