Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Legende der Alten: Teil 1: Erwachen (German Edition)

Die Legende der Alten: Teil 1: Erwachen (German Edition)

Titel: Die Legende der Alten: Teil 1: Erwachen (German Edition)
Autoren: Torsten Thiele
Vom Netzwerk:
kleinere Trichter aus Staub über die Ebene, drehten sich, wirbelten mal in die eine Richtung, dann plötzlich in eine andere, fielen in sich zusammen, nur um kurz darauf, wenige Meter daneben, wieder neu zu entstehen. Fast schien es, als würden sie tanzen. Ein Ballet, die Einöde als Bühne und Kex als Zuschauer. Das gleichförmige Surren der beiden Windräder –Relikte der Alten –, die hinter Kex gespenstisch in den Himmel aufragten, lieferte die Musik dazu. Kex genoss die Aussicht. Mehrere hundert Meter erhob sich die Klippe hier über der Ebene. Unweit schmiegte sich der große Fahrstuhl an den Felsen, seine Holzbalken gebleicht von der Sonne. Er war der einzige Weg in die Einöde, schon seit Jahren hatte ihn niemand mehr benutzt. Was sollte man auch da unten? Dort gab es nur Staub. An die Verdammten, die in der Einöde leben sollen, glaubte Kex nicht. Er hatte schließlich noch nie einen von ihnen gesehen. Wahrscheinlich waren sie eine ebensolche Legende wie die Städte der Alten. Es soll sie ja geben, weit hinter dem Horizont. Kex kannte nur Ruinen, die wenigsten waren einladend. Trotzdem träumte er manchmal von den Städten. Eines Tages würde er hinausziehen, stellte Kex sich vor, und sie finden, irgendwann. Viele sind bereits aufgebrochen, nach ihnen zu suchen, bisher ist niemand zurückgekehrt. Er würde zurückkehren, er würde ein Held sein.
    Ein plötzlicher, stechender Schmerz im Rücken riss Kex aus seinen Tagträumen. Er kannte diesen Schmerz und schon lange hatte er aufgegeben, zu zählen, wie oft ihm Esrin seine Krücke zwischen die Schulterblätter gerammt hatte. Mittlerweile nahm er es mit einem gewissen Stumpfsinn hin, wirklich daran gewöhnen konnte er sich wohl nie. Der Schmerz verging, der gekränkte Stolz aber blieb. Irgendwann würde er den alten Krüppel dafür umbringen, nicht jetzt, nicht heute, irgendwann.
    „Habe ich mir doch gedacht, dass du wieder hier herumlungerst, du elender Taugenichts. Man sollte dich in die Einöde schicken, die du anscheinend so magst. Es ist Markttag, die Stadt voller Menschen und das Gedränge ideal für uns. Also mach gefälligst, dass du zu den anderen auf den Marktplatz kommst, es gibt Arbeit. Ich füttere dich nicht umsonst durch!“, krächzte Esrin.
    Widerwillig erhob sich Kex. Ein paar kleinere Kieselsteine lösten sich vom Rand der Klippe und klimperten hinunter in die Einöde. Esrin war nervös einige Schritte zurückgetreten. Kurz nahm er den Hut mit der breiten Krempe vom Kopf und wischte sich den Schweiß aus der Stirn. Sein Gesicht war mit Pusteln übersät, Zeichen eines Lebens unter freiem Himmel. Einen Gesichtsschal, so wie Kex und die meisten anderen Menschen, trug er selbst im Sommer nicht. Normalerweise vermied Esrin es, hierher zu kommen. Auch ein Grund, warum Kex diesen Platz so mochte. Nur bei besonderen Anlässen holte Esrin Kex persönlich ab, es musste also einen solchen Anlass geben. Doch Esrin schwieg, während er neben Kex den Hügel hinauf zum Stadttor humpelte. Kex fragte nicht, er würde es noch früh genug erfahren.
    Vor dem Tor warteten Händler, Bauern und Handwerker aller Art darauf, in die Stadt eingelassen zu werden. Gerade durchstöberten die Wachen den Karren eines Händlers. Sie begutachteten seine Waren von allen Seiten, schafften einige hübsche Stücke in das Wachhaus, andere warfen sie achtlos vom Wagen herunter. Der Händler lief aufgeregt herum, sammelte seine Waren von der Straße und lamentiert dabei über sein Schicksal. Nicht wenige hinter ihm in der Reihe schauten belustigt, andere sorgenvoll. Kex fragte sich, ob es der erste Besuch dieses Händlers in der Stadt war. Jeder wusste, dass die Wachen niemanden ohne Wegzoll einließen. Konnte oder wollte jemand nicht zahlen, bedienten sie sich bei seinen Waren. Fanden sie dort nichts, jagten sie den armen Narren einfach davon. Erst wenn ihre Börsen bereits gut gefüllt waren und das Wachhaus schier überquoll, zeigten sie sich milder. Wer nicht viel hatte, ließ anderen also gern den Vortritt. Allerdings war der Marktplatz begrenzt und wer zuerst kam, besetzte die aussichtsreichsten Plätze, dort, wo die Diener der Beseelten einkauften, oder manchmal sogar die Beseelten selbst flanierten. Die Letzten, die in die Stadt eingelassen wurden, konnten ihre Waren höchstens noch in einer der schäbigen Seitengassen feilbieten. Dort zahlte so mancher Kunde eher mit den Fäusten, oder schlimmer noch, mit Messerstichen, denn mit Geld. Insofern schienen ein paar
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher