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Die Legende der Alten: Teil 1: Erwachen (German Edition)

Die Legende der Alten: Teil 1: Erwachen (German Edition)

Titel: Die Legende der Alten: Teil 1: Erwachen (German Edition)
Autoren: Torsten Thiele
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zuckte zusammen, ein kurzer Schrei entwich ihm. Die Stimme kam aus den Tunneln, sie wurde lauter. Es war eine Männerstimme, aber seltsam verzerrt, ihr eigenes Echo überlagerte sie. Kex konnte kaum ein Wort verstehen, es klang fremd, bedrohlich. Vielleicht war es ein Gefährte der toten Frau, oder Geister.
    „Pst, ganz leise! Böse Männer lauern … sind böse … Müssen fliehen … fliehen … Geschwind, geschwind …“
    Die Stimme verstummte auch nicht, als Kex die Treppe wieder nach oben gerannt war. Im Gegenteil, sie hallte hier noch lauter durch den Gang, vermischten sich mit den Geräuschen des Windes. Und noch immer kam sie näher. So schnell hatte Kex ein Seil noch nie erklommen. Fast wäre ihm dabei noch die Laterne aus den klappernden Zähnen gerutscht. Hastig zog er das Seil nach oben, drückte die Kellertür hinter sich zu. Er zitterte am ganzen Leib, teils vor Anstrengung, größtenteils aber vor Angst. Noch immer hörte er hinter sich deutlich die Stimme. Fast schon panisch rannte er aus dem Keller. Er schaute nicht einmal, ob ihn jemand beobachtete, als er aus dem Fenster nach draußen stieg. Erst mehrere Straßen weiter lehnte er sich schließlich in einer dunklen Nische an die Hauswand. Sein Atem ging schwer, er rutschte langsam in die Knie. Gerade noch rechtzeitig, bevor eine Wachpatrouille vorbeikam, löschte er endlich die Laterne.
    ***
    Großwesir Houst hatte wenig Zeit, ein neues Gesetz, das die Position des Königs stärken und im Gegensatz die der Priesterschaft schwächen sollte, erforderte seine ganze Aufmerksamkeit. Er musste dafür die einflussreichsten Beseelten auf seine Seite ziehen. Doch ein paar Minuten für einen Besuch bei seinem alten Mentor würde Houst aufbringen. Der Diener hatte gesagt, es sei dringend. Er wurde ins Schlafgemach geführt, Chak lag in seinem Bett, die Augen geschlossen. Im ersten Moment erschrak Houst regelrecht. Das Gesicht von Chak war ausgemergelt, die Wangen eingefallen, der Teint ein helles Grau. Houst hatte zwar von Chaks Krankheit gehört, dass es so schlimm war, überraschte ihn dann doch. Kein Wunder, dass es der Diener derart eilig hatte, vielleicht würde Chak diese Nacht nicht mehr überleben. Dieser Besuch hieß Abschied nehmen, erkannte Houst. Immerhin hat Chak den Intrigen des Hofes bis jetzt getrotzt, er würde im hohen Alter in seinem Bett sterben. Ein Luxus, der nicht vielen vergönnt war. Houst trat an das Bett und nahm die Hand seines alten Mentors. Daraufhin wendete dieser langsam den Kopf und öffnete die Augen. Er begann zu sprechen. Es war so leise, dass sich Houst tief nach unten beugen musste, um Chaks Worte zu verstehen. Mühsam hob Chak etwas den Kopf.
    „Du musst dich um den Jungen kümmern. Versprich mir, dass du dich um den Jungen kümmerst“, flüsterte er, dann sank sein Kopf wieder zurück auf das Kissen, seine Augen schlossen sich, er atmete flach.
    Houst wartete noch einige Minuten, doch Chak rührte sich nicht mehr. Als er aus dem Schlafzimmer ging, übergab ihm Chaks Diener einen Brief und einen verrosteten Schlüssel. Beides steckte Houst in seine Manteltasche. Vor dem Haus begegnete ihm Wesir Kolat, einer der Beseelten, die er für das neue Gesetz zu überzeugen suchte. Houst lud ihn ein, ein Stück des Weges gemeinsam zu gehen. Chaks letzte Worte hatte Houst zu diesem Zeitpunkt bereits wieder vergessen.
    ***
    Nichts rührte sich, als Kex an die Tür klopfte. Es war nun schon mehr als einen Monat her, seit er Chak das letzte Mal gesehen hatte. Daran würde sich auch heute nichts ändern. Hatte ihn der alte Kauz einfach vergessen? Wütend hämmerte Kex noch ein paarmal mit beiden Fäusten gegen die Tür. Dann setzte er sich auf die kleine Stufe davor und weinte. Nach einer Weile wischte er sich mit dem Ärmel die Tränen aus dem Gesicht und stand auf. Mit hängenden Schultern trottete er nach Hause. Bereits auf der Straße hörte er den Streit seiner Eltern. Sein Vater brüllte, seine Mutter schrie und wimmerte. Er schlug sie wieder. Jetzt hinzugehen, war keine gute Idee für Kex. Als mit einem dumpfen Schlag die Schreie seiner Mutter plötzlich erstarben, tat er es doch. Kex Mutter lag auf dem Boden, ihr Kopf im eigenen Blut. Sein Vater drehte sich um.
    „Was glotzt du so? Sie ist hingefallen! Los steh wieder auf, du kleine Schlampe“, lallte er und trat dabei Kex Mutter in den Bauch.
    Sie rührte sich nicht.
    „Ach was soll’s. Mach dich nützlich und bring mir Bier. Jetzt mach oder es setzt was!“, befahl Kex
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