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Die Lebküchnerin

Die Lebküchnerin

Titel: Die Lebküchnerin
Autoren: Sybille Schrödter
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ist zu schwer, wenn wir alle darin sitzen bleiben«, erklärte sie. »Also bringst du erst das Fuhrwerk auf die andere Flussseite, und dann das Kind.«
    »Aber Mutter, wir sind doch auf dem Hinweg, ohne auszusteigen, schon über die Schwarzach gefahren!«
    »Da waren wir auch leichter«, wandte Adelheit ein.
    Murrend lud Conrat das Gepäck vom Wagen, hieß Adelheit und Benedicta absteigen und führte zunächst das Pferd mit dem Wagen über den wackeligen Steg. Auf der anderen Seite band er es an einem Baum fest und kehrte mit grimmiger Miene zurück.
    »Gib ihm das Kind!«, befahl Adelheit.
    Als Benedicta sich weigerte, riss die Alte ihr Leon aus dem Arm und hielt ihn dem verdutzten Conrat hin. »Ja, nun nimm es schon!«, fauchte Adelheit.
    Benedicta wurde heiß und kalt. Sie spürte, dass Unheil drohte, und ihr schwante bereits, was die Alte vorhatte. Benedicta spürte den Mühlstein in ihrem Bauch immer schwerer werden.
    »Du gehst vor!«, befahl Adelheit. »Ich folge dir, und Conrat geht hinter mir.«
    »Ich möchte aber nicht vorgehen«, widersprach Benedicta. Die alte Angst kroch in ihr hoch. Doch schon hatte Adelheit sie auf den Steg gestoßen. Das Holz wackelte verdächtig, Benedicta geriet ins Stolpern und stellte mit Schrecken fest, dass es kein Geländer gab. Im letzten Augenblick schaffte sie es, sich wieder aufzurichten und sicher auf den Beinen zu stehen. Langsam setzte sie einen Fuß vor den anderen. Schweiß rann ihr in den Nacken. Es gab nur noch sie und die Bewegung ihrer Füße. An nichts anderes denken!, sprach sie sich gut zu und versuchte, die hämischen Bemerkungen der Stiefmutter zu überhören.
    »Schau nur, sie fürchtet sich vor dem Wasser!«
    Vorsichtig ging Benedicta weiter. Das war nicht einfach, denn plötzlich wusste sie, wer sie damals auf dem Weg zum Kloster auf der Brücke gestoßen hatte. Panik kroch ihr den Nacken hoch. Nun musste sie ebenso auf ihre Schritte achten wie auf das Geschehen hinter ihrem Rücken. Denn wer einmal zu so etwas fähig gewesen war, täte es sicher ein zweites Mal. Benedicta wurde übel vor Aufregung.
    Da schrie Adelheit: »Conrat, wirf das Kind in den Fluss, dann kannst du Marie heiraten! Ich kümmere mich um das Weibsbild!« Da spürte sie auch schon den Stoß im Rücken, geriet aber nur leicht ins Schwanken. Es gelang ihr, sich umzudrehen und am Rock der Stiefmutter festzuklammern.
    »Nun mach schon, du Feigling, wirf das Balg doch endlich in den reißenden Fluss! Und hilf mir!« Adelheit trat nach Benedicta, traf sie aber nicht.
    »Benedicta, lass ihren Rock los!«, brüllte Conrat.
    Sie zögerte, musste sie doch befürchten, dass die Alte sie dann sofort ins Wasser stoßen würde.
    »Bitte! Tu, was ich dir sage!«, schrie Conrat verzweifelt.
    Benedicta tat, was er verlangte, und wurde Zeugin, wie Conrat seine Mutter mit der freien Hand eigenhändig vom Steg stieß. Entsetzt blickte Benedicta in Conrats verzweifeltes Gesicht.
    »Was hätte ich denn tun sollen?«, fragte er weinerlich.
    »Es ist gut, es ist richtig, es ist …«, stammelte Benedicta, rappelte sich auf und umarmte ihren Retter. Tränen standen ihr in den Augen.
    »Holt mich heraus! So helft mir doch!«, drang es verzweifelt aus dem Wasser herauf, doch Conrat würdigte seine Mutter keines Blickes, sondern umarmte Benedicta so fest, wie es mit dem schreienden Kind zwischen ihnen möglich war. Dann gab er es ihr auf den Arm. Leon brüllte wie am Spieß.
    »Was sollte ich denn sonst tun?«, schluchzte Conrat. »Was denn?«
    »Du hattest keine andere Wahl«, erwiderte Benedicta mit tränenerstickter Stimme.
    »Helft mir! Helft mir!« Es klang schon schwächer.
    Benedicta und Conrat ließen einander erst los, als aus dem Wasser kein Lebenszeichen mehr zu ihnen heraufdrang.

63
    Konstantin verfluchte sich bei jedem Schritt, dass er ohne eine Waffe losgeritten war. Nur deshalb war es möglich gewesen, dass eine Horde finsterer Gesellen ihn kurz vor dem Morgengrauen im Wald hatten überfallen können.
    Dem Geld, das man ihm abgenommen hatte, weinte er keine Träne nach. Auch nicht seinem Gürtel. Er hatte die Burschen allerdings angebettelt, ihm das Pferd zu lassen, aber da hatten die Kerle ihre Armbrüste sprechen lassen. Er konnte allerdings froh sein, dass sie ihn nicht umgebracht hatten. Nicht alle Reisenden überlebten einen derartigen Überfall. Ungeachtet dieses betrüblichen Zwischenfalles war er zu Fuß weitergeeilt.
    In Feucht wollte er sich ein neues Pferd besorgen, falls die Reisenden
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