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Die Launen des Todes

Die Launen des Todes

Titel: Die Launen des Todes
Autoren: Reginald Hill
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oder das Piksen seiner Nadeln. Noch immer lag seine Hand in Pascoes, sein Blick war noch immer auf dessen Gesicht gerichtet. Pascoe sah ihm in die Augen, als könnte er durch schiere Willenskraft bewirken, dass sie hell und leuchtend blieben.
    Um sie herum herrschten Chaos und Lärm, Menschen rannten, Männer schrien Befehle, Funkgeräte knisterten, ferne Sirenen heulten; und auch wenn sie all dem Beachtung schenkten, so wirkten sie doch wie zwei stille, einsame Gestalten, die unter dem fernen Mond in der ruhigen choresmischen Öde saßen, dort, wo der Oxus auf seiner langen, gewundenen Reise in den Aralsee floss.

Imaginierte Szenen
aus
Unter anderem: Die Suche nach
Thomas Lovell Beddoes
Von Dr. phil. Sam Johnson

(überarbeitet, herausgegeben und vervollständigt von
Dr. phil. Francis Xavier Roote)
    Es ist der 26. Januar 1849. Thomas Lovell Beddoes erwacht im städtischen Hospital von Basel. Es ist noch früh. Der große Garten, der von seinem Zimmer aus zu sehen ist, liegt noch in Dunkelheit, die Vögel, die hier den Winter verbringen, haben noch nicht die ersten Töne ihres Morgengesangs angestimmt.
    Er spürt einen schmerzhaften Stich im rechten Bein kurz unterhalb des Kniegelenks. Er verzieht das Gesicht, dann lächelt er, als der Schmerz nachlässt. Das Gespenst eines Gedichts im komisch-makabren Stil huscht ihm durch den Kopf. Die amputierten Gliedmaßen, die in die Verbrennungsöfen des hospitaleigenen Leichenschauhauses geworfen werden, singen darin von ihrer Empörung über diese aufgezwungene Vertreibung aus ihrer angestammten Sphäre und schicken Abschiedsbotschaften an die Körper, von denen sie verraten wurden.
    Er wälzt sich im Bett, ein Buch fällt auf den Boden. Er teilt sich das Bett mit zahllosen Bänden, die die gesamte Bandbreite seiner Interessen abdecken, von medizinischen Abhandlungen über moderne deutsche Romane und Übersetzungen der Klassiker bis zu einer neuen Sammlung von Goethe-Briefen an Frau von Stein. Lediglich die radikalen Traktate der frühen Jahre fehlen. Davon hat er Abschied genommen.
    Er liegt da, starrt in die Dunkelheit, bis an den Kanten der schweren Vorhänge das Licht durchzusickern beginnt, dann wirft er die Decke zurück, sturzbachartig fallen die Bücher. Dann rollt er sich aus dem Bett.
    Mithilfe einer Krücke hat er eine Agilität erlangt, die Dr. Ecklin und Dr. Frey und alle Hospitalpfleger erstaunt. Sein gewöhnlich lebhaftes Gebaren lässt sie hoffen, dass er sich auch geistig entsprechend erhole, und wenn seinen Witzen ein makabrer Zug zugrunde liegt, dann ist daran ja nichts Neues.
    Später am Tag, als er eilig die Hospitalanlagen verlässt, erwidert er fröhlich den Gruß jener, die er trifft und die häufig genug innehalten, um bewundernd seinem Vorwärtsstreben nachzublicken.
    Auf dem Weg in die Stadt passiert er das Haus, in dem Konrad Degen untergebracht ist, aber er hält nicht an. Auch das ist vorbei. Degen ist von gemeinsamen Bekannten dazu überredet worden, von Frankfurt nach Basel zurückzukehren, um seinem alten Patron bei der Genesung beizustehen. Aber ein wahrer Freund hätte nicht erst überredet werden müssen. Und ein Sohn wäre über glühende Kohlen gekrochen, um seinen vom Unglück heimgesuchten Vater zu trösten.
    In einer ruhigen Nebenstraße bleibt er eine Weile lang stehen, um sich zu vergewissern, dass keiner seiner Bekannten ihn beobachtet.
    Dann betritt er eine Apotheke, wo er ehrerbietig als Herr Doktor Beddoes begrüßt wird und wo man ihm einen Stuhl anbietet, auf dem er Platz nimmt und über seine medizinischen Forschungen plaudert, während die von ihm geforderten Rezepturen zubereitet werden.
    Wieder im Hospital, erzählt er seinem Pfleger, dass seine Exkursion, so vergnüglich sie auch war, ihn ermüdet habe und er nun einige Stunden zu ruhen gedenke.
    Er verschließt die Tür und entnimmt seiner Tasche die Arzneien, die er sich besorgt hat. Nur für eine von ihnen hat er Verwendung. Er mischt sie in ein Glas mit schwerem Rheinwein, nippt daran, verzieht das Gesicht, fügt mehr Wein hinzu, nippt erneut, setzt sich dann an den Tisch, der vor dem Fenster steht, und spitzt einen Stift. In Gedanken geht er die Liste der möglichen Empfänger durch. Obwohl es ihm an den notwendigen praktischen Fähigkeiten mangelt, weshalb er sich lediglich literarischer Stückeschreiber nennen kann, ist sein Sinn fürs Dramatische so weit ausgeprägt, um zu wissen, dass mehr als ein Abschiedsbrief eine ans Absurde grenzende Verschwendung
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