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Die Launen des Teufels

Die Launen des Teufels

Titel: Die Launen des Teufels
Autoren: Silvia Stolzenburg
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wollte ihr das Herz aus der Brust reißen, dass man ihn ihr schon bald wegnehmen würde. Doch wie sie es Katharina versprochen hatte, hatte sie genau nach Ablauf eines Jahres Botschaft an die genannte Adresse gesandt. Zwar hatte sie bis jetzt noch keine Antwort erhalten, aber es konnte sicherlich nicht mehr lange dauern, bis die Männer der Gräfin den Knaben abholten.
    Geistesabwesend erwiderte sie den Gruß ihrer Freundin Heloise, die beinahe unheimliche Ähnlichkeit mit Vren hatte. Der Seufzer löste sich, und als Bertram sie besorgt anblickte, zog sie ihn auf ein niedriges, von der Sonne erwärmtes Mäuerchen und legte den Kopf an seine Schulter. Wie es der Freundin in Ulm wohl ergangen war? Ob sie die Seuche überlebt hatte, oder wie so viele andere elendig daran zugrunde gegangen war? Einige Zeit lang hatte Anabel sich vorgegaukelt, dass sie eines Tages in ihre Heimatstadt zurückkehren würden, doch schon bald hatte sie sich eingestehen müssen, dass dies niemals möglich sein würde. Da Bertram ohne Freispruch aus dem Gefängnis geflohen war, bestand die Gefahr, dass man ihn in Ulm als einen Verbrecher ansah. Und dieses Risiko würde sie niemals auf sich nehmen!
    Während er zärtlich das feine Haar in ihrem Nacken streichelte, schloss sie die Augen und genoss das Gefühl der Wärme auf ihrer Haut. Der Winter war lang und hart gewesen, und dem Gewimmel nach zu urteilen, war sie nicht die einzige, die sich nach Sonne sehnte. Das leise Plätschern der Wellen wirkte einschläfernd und beruhigend. Während ihr ein Gemisch aus Blütenduft, feuchtem Gras und Essensgerüchen in die Nase stach, ließ sie die Gedanken weiter wandern. Was wohl in der Zwischenzeit aus Gertrud geworden war? Wenn Conrad aufgrund von Baldewins Aussage hingerichtet worden war, dann hatte ihre Stiefmutter alles geerbt.
    Sie drängte sich näher an Bertram, dessen Spitzbart sie an der Stirn kitzelte. Wie schnell sich das Schicksal wenden konnte!, dachte sie und öffnete blinzelnd die Augen, als Bertram mit den Lippen an ihrem Ohr zupfte. Wie sehr sie diesen Mann liebte! Ihre Brust verengte sich, als seine Lippen sich warm und rau auf die ihren legten. Spielerisch tastete seine Zungenspitze nach der ihren, und während das Treiben um sie herum in den Hintergrund trat, versanken sie in einem tiefen Kuss.
    Ganz egal, was die Zukunft bringen würde, dachte Anabel, während sich Bertrams Arme um sie schlangen – gemeinsam würden sie alle Schwierigkeiten meistern!

Nachwort
    Fakten und Fiktion
     
    Obgleich ich mich in dem vorliegenden Roman so weit wie möglich an geschichtliche Fakten gehalten habe, war es dennoch an manchen Stellen nötig, Ergänzungen vorzunehmen, beziehungsweise Personen und Handlungsorte umzudefinieren. Um dem heutigen Besucher der Stadt Ulm einige Anhaltspunkte zu geben, wurden einige markante Gebäude in den Roman eingebaut, welche erst zu späterer Zeit errichtet wurden. So entstand die Herberge zu den Drei Kannen beispielsweise erst im 16. Jahrhundert; der Gänsturm wurde erst 1360 erbaut; der Fischkastenbrunnen auf dem Marktplatz erst 1482 gegraben. Die Grundsteinlegung des Ulmer Münsters ist erst für das Jahr 1377 verbrieft; das Alte Rathaus wurde erst um 1369/70 errichtet, und die heute zu sehende Fassade entstand gar erst etwa 80 Jahre später. Das Franziskanerkloster befand sich – wie beschrieben – an der Stelle des heutigen Stadthauses, die Beginensammlung auf dem Areal des Münstervorplatzes, wo heute die Münsterbauhütte zu finden ist. Der Blutbann wurde erst im Jahre 1397 an die Ulmer verliehen, es konnte vorher also keine Todesstrafe vom Rat oder Ammann verhängt werden. Sicherlich hätte der Rat der Stadt auch nicht den Abt der als Konkurrenz zu betrachtenden Barfüßerabtei als Bauaufseher eingesetzt; dieser Zug liegt einzig und allein in den Anforderungen des Plots begründet. Da die Pest als europäische Pandemie von 1347 bis 1352/53 wütete, erschien eine Vorverlegung des Münsterbaus um 28 Jahre weniger dramatisch als eine Verschiebung dieses weltbewegenden Ereignisses – vor allem, da kaum drei Jahrzehnte im Kontext der Gotik einen verschwindend geringen Unterschied darstellen.
    Die große Pestepidemie des 14. Jahrhunderts raffte Schätzungen gemäß circa 20 bis 25 Millionen Menschen dahin – also etwa ein Drittel der damaligen Bevölkerung Europas –, und brachte das Rad der Geschichte weitgehend zum Stillstand. Noch immer ist nicht genau bekannt, ob es sich bei dieser Epidemie tatsächlich
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