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Die Launen des Teufels

Die Launen des Teufels

Titel: Die Launen des Teufels
Autoren: Silvia Stolzenburg
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gewaltigste Bauwerk gen Himmel reckte, das Anabel je gesehen hatte.
    »Sieh nur«, flüsterte Bertram ehrfürchtig und blickte zu dem über ihnen aufragende, von Gerüsten umrahmte Münster auf, dessen Fassade im Schein der untergehenden Sonne rosarot leuchtete. »Wie schön!«
    Auch Anabel wollte es bei dem Anblick der kunstvollen und dennoch verspielten Fassade den Atem verschlagen. Beinahe schwerelos schien der mächtige Bau über den Häusern zu schweben, und das Gewicht der unvollendeten Turmstummel wirkte beinahe zu schwer für die zarten Rippen dieses unglaublichen Bauwerks.
    »Lass uns eine Unterkunft finden«, bat sie schließlich nach langer Zeit des bewundernden Betrachtens. »Ich bin noch niemals zuvor so müde gewesen.«
    Nachdem Bertram sich mit einem Seufzen von dem filigranen Kirchenbau losgerissen hatte, wandten sie sich nach Süden, um kurz darauf vor einer vertrauenerweckend wirkenden Herberge zu halten, aus der der Duft frisch gebratenen Fisches lockte.
     

Kapitel 52
     
    Hohenneuffen, Ende Januar 1350
     
    »Euer Beichtvater ist hier.« Mit einem tiefen Knicks wich die Katharina zugewiesene Zofe in den Korridor zurück und bat den schwarz gekleideten Mönch in die zwar geräumige, aber düstere Kammer. Drei von gotischem Flechtwerk unterteilte Fenster gaben den Blick frei auf eine trostlose, gräulich-grüne Landschaft, die mit der von heftigem Tauwetter verursachten Überflutung der Neckarauen zu kämpfen hatte. Tief unter Katharina mühten sich die leibeigenen Bauern ihres Gemahls mit der Errichtung einer Barriere aus Säcken und Fässern, welche die drohenden Wassermassen jedoch nicht lange aufzuhalten vermochte. Jeden Tag riss der anschwellende Strom ein neues Loch in den schützenden Deich, und wenn die warme Witterung anhielt, würde Hektar um Hektar des fruchtbaren Ackerlandes fortgeschwemmt werden.
    Sie seufzte und wandte dem traurigen Anblick den Rücken, um den Bruder mit einem demütigen Neigen des Kopfes zu begrüßen. »Ich danke Euch für Euer Kommen.«
    Das Klappern eines Schlüssels verriet, dass der Wachhabende vor Katharinas Gefängnis seine Aufgabe noch genauso ernst nahm wie am ersten Tag ihrer Einkerkerung. Doch dieser Eifer entlockte ihr lediglich ein müdes Lächeln.
    Mit einer geschmeidigen Bewegung streifte der blutjunge Zisterzienserbruder die Kapuze von seinem Kopf und gab den Blick frei auf ein glattes Gesicht mit strahlend blauen Augen. »Ihr wisst, dass Ihr jederzeit über mich verfügen könnt«, versetzte er ölig und gab Katharina mit einer Handbewegung zu verstehen, sich zu der hölzernen Kniebank neben der schmalen Bettstatt zu begeben. Kaum war die in einfache braune Gewänder gekleidete Gräfin vor ihm niedergesunken, streckte er ihr ein goldenes Kruzifix entgegen, das sie gottesfürchtig küsste. »Vater, vergib mir, denn ich habe gesündigt«, murmelte sie und senkte den Kopf.
    Als der Bruder sie eine halbe Stunde später mit einem verkniffenen Ausdruck auf dem täuschend unschuldigen Gesicht wieder verlassen hatte, verweilte Katharina noch einige Zeit in stillem Gebet, bevor sie sich mit schmerzenden Gelenken erhob. Schaudernd rieb sie die Handflächen aneinander und warf einen Blick auf das schwache Feuer, das schon bald erlöschen würde. Seitdem Ulrich sie in diesem zugigen Gemach in einem der runden Ecktürme der äußeren Befestigungsanlage gefangen gesetzt hatte, war der Zisterzienser beinahe täglich erschienen, um ihr seine Dienste als Beichtvater anzubieten. Als Katharina schließlich scheinbar zermürbt ihren Widerstand aufgegeben hatte, hatten seine Augen kaum wahrnehmbar aufgeleuchtet. Doch schon bald hatte er feststellen müssen, dass die Gemahlin des Grafen von Württemberg ihn an der Nase herumführte. Anstatt die von Ulrich zweifelsohne geforderte Information über Kind und Liebhaber preiszugeben, hatte Katharina den jungen Mann mit belanglosen Dingen hingehalten, die es nicht einmal wert waren, erwähnt zu werden. So hatte sie ihm auch heute lediglich die unreinen Gedanken gebeichtet, die ihr so manche Nacht den Schlaf raubten, und sich an der flammenden Röte geweidet, welche die bartlosen Wangen überzogen hatte. Wenn Ulrich dachte, dass sie so einfältig wäre, ihm auf diesem Weg das zu geben, was er anders niemals erreichen würde, täuschte er sich!
    Eine steile Falte grub sich zwischen ihre Brauen, als sie sich nach dem Schürhaken bückte, um in der Glut zu stochern. Zwar hatte ihr betrogener Gemahl wie vermutet nicht das Rückgrat
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