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Die Launen des Teufels

Die Launen des Teufels

Titel: Die Launen des Teufels
Autoren: Silvia Stolzenburg
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allmählich in ihm ausbreitete. Hatte er noch vor fünf Tagen über die Wendung des Schicksals frohlockt, schien sich dieses inzwischen gegen ihn gewendet zu haben. Wenngleich es ihm gelungen war, all seine Widersacher aus dem Weg zu räumen, hatte sich seine Hochstimmung in lähmende Furcht verwandelt, als er am Morgen dieses Dienstages Blut auf seinem Kissen entdeckt hatte. Da der ihn seit einiger Zeit quälende Husten nicht abklingen wollte, hatte er nach dem Infirmarius schicken lassen, der jedoch – laut Auskunft des ebenfalls ungesund wirkenden Tonsors – vor zwei Tagen an der Pest erkrankt war.
    Ein Kälteschauer durchlief den Abt und veranlasste ihn, noch näher an das prasselnde Feuer zu treten, wodurch seine mit Goldfäden durchwirkte Kukulle den Flammen gefährlich nahe kam. Sollte die Geißel Gottes auch ihn getroffen haben?, fragte er sich bang, kaum hatte sich ein heftiger Hustenanfall gelegt. Sollte er Gott erzürnt haben? Er schüttelte schwer atmend den Kopf und wischte sich den kalten Schweiß von der Stirn. Unmöglich! Hatte er nicht alles getan, um die Gebote des Herrn zu befolgen und dafür zu sorgen, dass Lästerer und Zweifler bestraft wurden?! Mit einem müden Seufzen wandte er sich von der wohligen Wärme ab und machte sich auf den Weg in das Obergeschoss. Gott würde seine schützende Hand über ihn halten und ihn vor Unheil bewahren! Daran konnte es keinen Zweifel geben. Erschöpft stieß er die Tür zu seinem Schlafgemach auf und ließ sich auf die harte Matratze sinken. Er würde sich einige Minuten ausruhen, bevor er sich auf die Non vorbereitete.
     

Kapitel 51
     
    Auf den Höhen des Schwarzwaldes, 23. Januar 1350
     
    »Ich mache mir Sorgen wegen dieses Kerls«, raunte Bertram leise, während Anabel sich misstrauisch umblickte, ob niemand sie belauschte. Sobald die Sonne Anstalten gemacht hatte unterzugehen, hatte der Anführer des Händlerzuges Befehl gegeben, in dem mittelgroßen Flecken auf den Höhen des Schwarzwaldes haltzumachen, da es in dem gepflegten Örtchen genügend Herbergen gab, um allen Reisenden eine Unterkunft zu bieten. Die ordentlichen Häuschen und Hütten und die Abwesenheit von Leichengruben hatten die jungen Leute hoffen lassen, dass die Gerüchte über die Verbreitung der Pest zutrafen. Denn je weiter sie sich der französischen Grenze näherten, desto häufiger begegneten sie Reisenden, die – wie sie selbst – auf der Flucht vor der Seuche waren, die den Westen Europas weitgehend verschont zu haben schien. Wenngleich die Krankheit dort allem Anschein nach einige Jahre zuvor mit voller Kraft gewütet hatte, blieben neue Erkrankungen rätselhafterweise zum großen Teil aus.  Zusammen mit etwa dreißig weiteren Männern und Frauen hatten sich Anabel und Bertram im Grünen Baum eingemietet, dessen Wirt seinen Gästen ein wohlschmeckendes und sättigendes Mahl vorgesetzt hatte. Die Stimmung in dem geräumigen Schankraum heizte sich mit jedem Krug Wein weiter auf, und zwei Tische von ihnen entfernt grollte soeben der gnomenhafte Tuchhändler, der Bertram gedroht hatte: »Wer ist heutzutage schon das, wofür er sich ausgibt?«
    Der Blick seiner kalten, grünen Augen wanderte zu dem jungen Mann, der sich schützend vor Anabel und den kleinen Wulf geschoben hatte. »Bevor diese Seuche alle Sitten ausgelöscht hat, hätte man nicht jedem gestattet, in Gesellschaft anständiger Menschen zu reisen.« Die Feindseligkeit in seiner Stimme war unüberhörbar. Seit dem Streit vor fünf Tagen hatte er immer wieder versucht, Anabel und Bertram auszuhorchen; hatte sie wiederholt nach ihrem Herkunftsort gefragt und sich bemüht, Anabel durch Schmeicheleien Auskünfte über sich und Wulf zu entlocken.
    »Warum hat er sich ausgerechnet uns als Ziel seiner Missgunst ausgesucht?«, zischte Anabel und wiegte das Kind in ihren Armen, um es dazu zu bewegen, wieder einzuschlafen. »Wieso kann er nicht einfach den Mund halten und uns in Ruhe lassen?«, fragte sie mit einem zornigen Blick über die Schulter, wo der rothaarige Zwietrachtsäer inzwischen dazu übergegangen war zu tuscheln.
    »Ich fürchte, ich weiß, was er vorhat«, erwiderte Bertram verächtlich und gab Anabel zu verstehen, ihm in die abgetrennte Schlafkammer zu folgen, wo ordentlich aufgereihte Bettkästen die Wände säumten. »Wir werden gleich sehen, ob ich recht habe«, murmelte er und ließ sich auf den ihnen zugewiesenen Schlafplatz sinken.
    Tatsächlich dauerte es keine fünf Minuten, bis sich der Vorhang zur
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