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Die Launen des Teufels

Die Launen des Teufels

Titel: Die Launen des Teufels
Autoren: Silvia Stolzenburg
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abgelegt hatte. Ihre einzige Hoffnung bestand darin, dass sie mit der Geburt des Knaben bewiesen hatte, dass die Kinderlosigkeit ihrer Ehe nicht ihr Verschulden war. Würde Ulrich es wagen, das Risiko einer weiteren Heirat einzugehen und seinem Bruder Eberhard Wasser auf dessen Mühlen zu gießen? Sollte dieser seinen Verdacht bestätigt sehen, dass Ulrich nicht imstande war, das Haus Württemberg weiterzuführen, dann würde er mit Sicherheit sein Drängen verstärken. Und Ulrich dazu zwingen, ihm seinen Teil der Grafschaft abzutreten und sich in den Hintergrund zurückzuziehen.
    Mit leicht zitternder Hand zog sie den smaragdgrünen Faden durch das Blatt eines Ölbaumes, unter dem Jesus und seine Jünger das letzte Abendmahl zu sich nahmen. Was war geschehen mit den Tugenden des Mitleids und der Vergebung, für die der Heiland sein Leben gegeben hatte? Kaum war der Gedanke zu Ende gedacht, schalt sie sich eine einfältige Närrin. Hatte sie nicht schon vor vielen Jahren unter dem Dach ihres Vaters gelernt, dass diese Gebote für diejenigen, welche die Macht innehatten, keinerlei Gültigkeit besaßen? Seufzend wechselte sie den Faden und stickte den Schleier der rechts neben Jesus sitzenden Maria Magdalena – in Nachahmung des Wandgemäldes, das Wulf von Katzenstein ihr zu Beginn ihrer Bekanntschaft beschrieben hatte. Bei einem ihrer ersten Ausflüge im Rosengarten hatte er von dem erst vor Kurzem fertiggestellten Werk geschwärmt, das die Wand der Hauskapelle in Katzenstein zierte. Und Katharina hatte ihm ungläubig gelauscht, da auf den meisten dieser Darstellungen die Anwesenheit einer Frau unvorstellbar war.
    »Es war ein italienischer Maler«, hatte Wulf ihr mit nicht geringem Stolz erzählt, um sie zu beeindrucken. »Hartmann von Dillingen hat ihn mir ausgeliehen.«
    Ob sie dieses Gemälde wohl jemals zu Gesicht bekommen würde? In Wulfs Gegenwart? Oder ob sie sich mit allmählich verblassenden Erinnerungen zufrieden geben musste? Ihre Augen füllten sich mit Tränen, und sie ließ die Arbeit auf ihren Schoß sinken. Sie musste auf Gott vertrauen! Mit seiner Hilfe würde sie Kind und Geliebten schon bald wieder in die Arme schließen, sobald Ulrichs selbstgerechter Zorn verraucht war!

Kapitel 53
     
    Barfüßerabtei Ulm, Februar 1350
     
    Mit einem selbstvergessenen Ausdruck hob der greise Prudenz die Hand an den Kranz aus dichtem, weißem Haar, der sein koboldhaftes Gesicht umrahmte, und kraulte die Stelle, die stets zu jucken schien. Seine leuchtend blauen Augen ruhten mit einem nicht zu deutenden Ausdruck auf den drei frisch ausgehobenen Gräbern zu Füßen der Abteikirche, deren Turm einen langen Schatten warf. Nachdem vor einigen Tagen das Wetter umgeschlagen war, lag eine Andeutung des Frühlings in der Luft, die allerdings von dem Gestank der Kranken und Toten überlagert wurde. Kaum war der strenge Frost der milderen Witterung gewichen, war eine neue Welle der nicht abklingen wollenden Seuche über die Stadt hereingebrochen und hatte die Zahl der Leidenden in die Höhe schnellen lassen. Auch die Abtei war der Wut der Pest nicht entgangen, und da der geweihte Boden inzwischen kaum mehr für die Begräbnisse ausreichte, hatte der größte der Kräutergärten weichen müssen.
    In Gedanken versunken strich der neu gewählte Abt über das einfache Holzkreuz, unter dem der Leichnam des vor wenigen Tagen verstorbenen Henricus ruhte. Eine Reihe hinter ihm befanden sich die sterblichen Überreste des Infirmarius Paulus und des Tonsors, die ebenfalls der tückischen Krankheit erlegen waren. Wie unergründlich die Wege des Herrn doch waren!, dachte er mit einem Seufzen, bevor er dem traurigen Anblick den Rücken wandte, um sich in die Bibliothek zurückzuziehen. Während Kinder und in der Blüte ihres Lebens stehende Männer und Frauen ohne Unterschied dahingerafft wurden, verschonte Gott Greise wie ihn! Gemächlich erklomm er die Treppen, welche ihn in den ersten Stock des Refektoriums führten, das unter anderem die umfangreiche Bibliothek beherbergte.
    Dort angelangt, ließ er sich von einem Novizen zu einem freien Lesepult führen, auf dem der Knabe wenig später die von Prudenz gewünschten Handschriften ablegte. Immer noch grübelnd entrollte der ehemalige Bibliothekar eines der altersdunklen Schriftstücke und fuhr mit dem unterbrochenen Studium fort. Seit die Geißel Gottes über die Stadt hereingebrochen war, hatte er in den alten Aufschrieben nach Stellen gesucht, in denen ähnliche Ereignisse
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