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Der Mann mit der Ledertasche.

Der Mann mit der Ledertasche.

Titel: Der Mann mit der Ledertasche.
Autoren: Charles Bukowski
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Kiepenheuer & Witsch

    Titel der amerikanischen Originalausgabe >Post Office< Erschienen bei Black Sparrow Press, Los Angeles/Cal., 1971 Deutsch von Hans Hermann
© 1974, 1982, 1992 by Verlag Kiepenheuer & Witsch, Köln Alle Rechte vorbehalten. Kein Teil des Werkes darf in irgendeiner Form (durch Fotografie, Mikrofilm oder ein anderes Verfahren) ohne schriftliche Genehmigung des Verlages reproduziert oder unter Verwendung elektronischer Systeme verarbeitet, vervielfältigt oder verbreitet werden
Umschlag Manfred Schulz, Köln
Gesamtherstellung Clausen & Bosse, Leck
    ISBN 3 462 02185 0

    Dies ist ein Roman. Er ist niemandem gewidmet.

    US-Postverwaltung Los Angeles (Cal.) Büro des Vorstehers

    Zur Kenntnisnahme 1. Januar 1970 

    BERUFSETHOS
    Alle Angestellten werden auf das Berufsethos für Post- angestellte (siehe Abschnitt 742 der Dienstvorschriften) und das Verhalten der Angestellten (siehe Abschnitt 744 der Dienstvorschriften) hingewiesen.
    Die Postangestellten haben im Lauf der Jahre eine vor- bildliche Tradition treuen Dienstes für die Nation begrün- det und sich darin von keiner anderen Gruppe übertreffen lassen. Jeder Angestellte sollte stolz darauf sein, in dieser Tradition aufopfernden Dienens zu stehen. Jeder von uns muß sich im Interesse der Öffentlichkeit nach Kräften be- mühen, mit seinem Beitrag den stetigen Aufschwung der Post sicherzustellen.
    Das gesamte Personal der Post muß in seiner völligen Hingabe an das Interesse der Öffentlichkeit immer stand- haft und rechtschaffen bleiben. Vom Personal der Post wird erwartet, daß es nach den höchsten sittlichen Grundsätzen handelt, die Gesetze der Vereinigten Staaten achtet und sich im übrigen an die Vorschriften und Richtlinien der Postverwaltung hält. Neben einwandfreiem sittlichem Ver- halten ist es auch erforderlich, daß die Vorgesetzten und Angestellten alles vermeiden, was einer Erfüllung der Aufgaben der Post im Wege stehen könnte. Zugeteilte Aufgaben sind gewissenhaft und erfolgreich zu erledigen. Die Post hat das einmalige Privileg, täglich mit der Mehrheit der Bürger unserer Nation in Kontakt zu stehen, und ist in vielen Fällen deren direkteste Verbindung mit der Bundes- regierung. Deshalb hat jeder Postangestellte die besondere Gelegenheit und Verantwortung, sich durch ehrbares und rechtschaffenes Verhalten des öffentlichen Vertrauens wür- dig zu erweisen. So trägt er zum guten Ruf und zum An- sehen der Post und der gesamten Bundesregierung bei.
    Alle Angestellten werden aufgefordert, den Abschnitt 742 der Dienstvorschriften in seiner Gesamtheit durchzulesen, der zusätzlich noch die Grundnormen des sittlichen Verhal- tens, das persönliche Betragen der Angestellten, Beschrän- kungen der politischen Betätigung usw. abhandelt.
    Der verantwortliche Beamte

EINS
    Mit einem Fehler fing es an.
Es war kurz vor Weihnachten, und der Säufer, der ein Stückchen weiter oben am Berg wohnte und jedes Jahr dabei war, erzählte mir, daß sie so ziemlich jeden anstell- ten. Ich ging also hin, und bevor ich noch recht wußte, was los war, hatte ich diese Ledertasche auf dem Rücken und machte mich in aller Gemütlichkeit auf den Weg. Was für ein Job, dachte ich. Leicht! Sie gaben dir nur eine oder zwei Straßen, und wenn du gut damit fertig wurdest, gab dir der reguläre Briefträger eine weitere Straße oder du gingst zurück und der Kapo gab dir noch eine, aber du konn- test dir einfach Zeit lassen und die Weihnachtskarten nach- einander in die Briefkästen stecken.
Ich glaube, es war an meinem zweiten Tag als Weihnachts- aushilfe, als diese dicke Frau herauskam und neben mir herging, während ich die Briefe austrug. Mit »dick« meine ich, sie hatte einen dicken Arsch und große Titten und war an all den richtigen Stellen dick. Sie schien ein bißchen verrückt, aber ich schaute mir einfach ihren Körper an und kümmerte mich nicht darum.
Sie redete und redete und redete. Dann kam es heraus. Ihr Mann war als Offizier auf irgendeiner abgelegenen Insel stationiert, und sie fühlte sich einsam, Sie verstehn schon, und wohnte ganz allein in diesem kleinen Haus, ein bißchen abseits von der Straße.
»In welchem kleinen Haus?« fragte ich.
Sie schrieb die Adresse auf ein Stück Papier.
»Ich bin auch einsam«, sagte ich, »ich komm heute abend vorbei, dann können wir reden.«
Ich hatte zwar eine Puppe zu Hause, aber sie war die Hälfte der Zeit fort, irgendwo, und ich war tatsächlich ein- sam. Vor allem, wenn ich an diesen dicken
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