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Die Lady in Weiß

Titel: Die Lady in Weiß
Autoren: Miranda Jarrett
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finster gewesen, und man hatte nicht erkennen können, wo der Nachthimmel das Meer berührte. Der heiße Wind, der die „ Chanticleer“ ostwärts durch das Mittelmeer getragen hatte, war in der Abenddämmerung plötzlich abgeflaut. Das Schiff lag ruhig im Wasser, und die Männer auf Wache waren schläfrig geworden, wie betäubt durch die warme Luft und den sanften Wellenschlag gegen den Schiffsrumpf.
    Aber er war ihr Kapitän. Wenn sie einen Fehler machten, dann war er allein dafür verantwortlich. Er hätte die Gefahr spüren müssen, bevor es zu spät gewesen, bevor der Teufel über ihn gekommen war und ihm die kalte gebogene Klinge erbarmungslos an die Kehle gepresst hatte ...
    Er schrie auf und schreckte schweißgebadet hoch. Instinktiv griff er sofort nach der Pistole, die unter seinem Kopfkissen lag, zog sie mit beiden Händen hervor und rollte sich auf den Rücken, um sich dem Dämon zu stellen, der es gewagt hatte, ihm hierher ins Licht zu folgen.
    „Verzeihen Sie mir, wenn ich Sie erschreckt habe, Captain Sparhawk“, sagte die Frau, die neben seinem Bett stand, „aber Sie können die Pistole ruhig weglegen.“
    Jeremiah starrte sie an und hielt die Waffe noch immer fest umklammert. Er war sich nicht sicher, ob er noch träumte.
    „Bitte“, sagte sie sanft. „Ich schwöre, dass ich ungefährlich bin.“
    Er erkannte, dass sie nicht so aussah, als entstammte sie einem Albtraum. Ganz im Gegenteil. Sie war so wunderschön, dass es ihn beinahe schmerzte, sie einfach nur anzusehen. Sie war ganz in Weiß gekleidet, von den Silberreiherfedern in ihrem blonden Haar bis zu den zierlichen Schuhen aus weißem Satin. Kein Teufel also. Vielleicht ein Engel?
    Aber himmlische Engel waren weder männlich noch weiblich, und die Art und Weise, wie sich die weiße Seide ihres Kleides um die üppigen Kurven ihres Körpers schmiegte, ließ keinen Zweifel daran aufkommen, dass sie ganz eindeutig weiblich war und ganz entschieden von dieser Welt. Sie hatte volle, leuchtend rote Lippen und tiefblaue, weit auseinanderstehende Augen. Sie sah ihn ruhig an und schien sich überhaupt nicht daran zu stören, dass er lediglich eine Hose trug
    und nichts sonst. Sie wartete ohne ein Anzeichen von Furcht.
    Furcht. Gütiger Gott, wie lange war sie bereits hier? Hatte sie ihn etwa in der Dunkelheit schreien hören wie ein verängstigtes Kind?
    Er ließ die Pistole langsam sinken, alarmiert durch ihre sanfte Stimme. Er wollte weder Sympathie noch Mitleid, schon gar nicht von einer Frau, die er überhaupt nicht kannte. „Wie sind Sie hier hereingekommen?“
    „Auf die übliche Art. “ Jetzt, da er die Waffe nicht mehr auf sie gerichtet hatte, trat sie näher. Die Diamanten an ihren Armbändern funkelten im Licht der Kerze. „Durch die Tür.“ Er hatte vergessen, sie abzuschließen, und ärgerte sich nun über sich selbst. War er schon so alt, dass er unvorsichtig wurde? „Dann können Sie ja auf die gleiche Art wieder verschwinden. Gehen Sie, und lassen Sie mich in Ruhe!“
    Sie schüttelte bedächtig den Kopf, wobei der Federschmuck in ihrem Haar sanft an den Bettvorhängen entlangstrich. Sie war nun nahe genug, dass er ihren Duft riechen konnte, Jasmin und Moschus, und obwohl er in Ruhe und allein gelassen werden wollte, fühlte er seinen Blick unwiderstehlich von den weichen, runden Formen ihrer Brüste angezogen. Es ergab keinen Sinn. Warum war sie hier, zum Greifen, nahe? Seit er nach England zurückgebracht worden war, hatte er keine Frau mehr gehabt. Jetzt erinnerte ihn sein Körper nur allzu deutlich daran, dass er sich lange genug geschont und enthaltsam gelebt hatte.
    „Madam.“ Er zwang sich dazu, ihr wieder in die Augen zu sehen. Ob sie nun attraktiv war oder nicht, er konnte keine amourösen Abenteuer gebrauchen, nicht jetzt, da sein Leben in solcher Unordnung war. „Hören Sie! Dort, von wo ich herkomme, Madam, betritt eine Dame nicht einfach so das Schlafzimmer eines Mannes ohne ausdrückliche Aufforderung. Tut sie es dennoch, dann kann man sie in der Regel kaum als eine Dame bezeichnen. Werden Sie nun endlich gehen, oder soll ich Sie persönlich hinausbefördern, sodass die ganze Welt es erfährt?“
    Sie hob plötzlich gebieterisch das Kinn, und er erkannte, dass sie älter war, als er zunächst angenommen hatte. Ganz offensichtlich war sie kein junges Mädchen, das sich in der Kunst der Verführung versuchte. „ Sie sollten nicht so plump-vertraulich mit mir reden. Ich bin die Countess of Byfield.“ „Zum
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