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Die Kunst, nicht abzustumpfen

Die Kunst, nicht abzustumpfen

Titel: Die Kunst, nicht abzustumpfen
Autoren: Stephan Marks
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Alltag zurück – ähnlich wie nach der Bohrinsel-Explosion im Golf von Mexiko im Jahr 2010? Wie nach dem Terrorangriff auf New York am 11. September 2001? Wie nach der Tankerkatastrophe der Exxon Valdez im Jahr 1989? Wie nach den Reaktorunfällen von Tschernobyl im Jahr 1986? Und wie nach all den unzähligen Schreckensmeldungen der letzten Jahrzehnte? Hat denn die Menschheit aus all diesen Katastrophen noch immer nichts gelernt? Muss erst alles noch schlimmer kommen, um die Menschheit zum Umdenken zu bringen?
    Tag für Tag verfolgen die Menschen die Prognosen über das Wirtschaftswachstum, als ob nur eine wachsende Wirtschaft  – und damit wachsender Konsum – Glück und Sicherheit bedeute. »Shoppen ist geradezu staatsbürgerliche Pflicht« (Müller / Tuma 2010, 57); schon Kinder werden jährlich mit bis zu 40.000 – immer raffinierteren – TV-Werbesendungen bombardiert. Dabei ist spätestens seit 1972 bekannt, dass die Wirtschaft nicht unbegrenzt wachsen kann: seit der Club of Rome die Studie zur Zukunft der Weltwirtschaft »Die Grenzen des Wachstums« (Meadows u.a. 1972) veröffentlichte. Nichtsdestotrotz setzt unsere Gesellschaft – wie wenn sie unter Hypnose stände – auf eine weiter und immer weiter wachsende Wirtschaftsproduktion, die wiederum Unmengen an Energie verbraucht. Dies kommt mir so vor, wie wenn wir in einem Auto sitzen, das auf einen Abgrund zurast und statt das Steuer
herumzureißen, treten wir noch stärker auf das Gaspedal. Sind wir denn noch zu retten? Könnte es – trotz alledem – noch Hoffnung geben? Und, wenn ja: Woher könnte sie kommen? Diese Fragen möchte das vorliegende Buch beantworten.
    Dabei gilt mein Hauptaugenmerk den globalen Krisen und der Hoffnung auf Frieden, Gerechtigkeit und Naturbewahrung – für alle. Es geht mir in diesem Buch nicht um die Rettung eines Wohlstandes, der auf Kosten unserer hungernden Mitmenschen in der so genannten »Dritten Welt« geht; auch nicht um die Verteidigung von Privilegien einzelner Interessengruppen, Nationen oder der »Festung Europa«. Es geht mir um eine gelingende Zukunft für alle, für die Eine Welt .
    Allerdings wird die Rettung nicht vom Himmel fallen; auch mit einer guten Fee können wir nicht rechnen. Vielmehr müssen wir Menschen die Probleme, die wir verursacht haben, selber lösen. Dies setzt allerdings voraus, dass wir zuallererst an die Möglichkeit einer gelingenden Zukunft glauben: dass wir Hoffnung haben.
    Hoffnung ist kein positives »Feeling«; sie ist keine flüchtige Stimmung, die mal kommt oder geht. Hoffnung ist aber auch keine dauerhafte Charaktereigenschaft oder ein statisches Objekt. Sie ist vielmehr das Ergebnis eines Prozesses , durch den sie geschöpft werden kann; dies wird im ersten Teil dieses Buches herausgearbeitet.
    Entsprechend lässt sich die Hoffnung auch nicht festhalten und besitzen. »Hoffnung kann man nicht herbeizwingen, aber ihr eine Wohnung bereiten. (…) Hoffnung will immer neu gewagt werden!« (Romankiewicz 2010, 45+47). Wir müssen sorgsam mit ihr umgehen, sie »hegen« und pflegen. Dies lässt sich vergleichen mit einer aufrechten Körperhaltung, die durch Übungen erlernt und bewahrt werden kann. Ähnlich vergleicht der Sozialpsychologe Roy Baumeister den menschlichen Willen mit einem »Muskel, der trainiert werden kann, der erschlafft, wenn wir ihn nicht trainieren« (zit. in: Huber 2010, 31).

    Insofern ist Hoffnung eine Haltung , zu der jeder Mensch sehr viel beitragen kann. Sie ist kein abstraktes Gedankengebäude, sondern hat wesentlich mit Handeln zu tun. Für den Theologen Fulbert Steffensky (2009, 34) wächst die Hoffnung, wo wir Hand anlegen: »Wenn ich irgendwo vor einem Waffenlager sitze und protestiere, dann verwelkt meine Hoffnungslosigkeit.« Allerdings ist die Einstellung, die wir gegenüber unserem Handeln einnehmen, von wesentlicher Bedeutung; dies ist Gegenstand des zweiten Teils.
    Die Redewendung »guter Hoffnung sein« vergleicht Hoffnung mit Schwangerschaft. Entsprechend beschreibe ich im dritten Teil die Gegenwart als eine Zeit der Schwangerschaft, in der eine gelingende Zukunft dazu drängt, geboren und in die Welt gebracht zu werden. So betrachtet, benötigt unsere Gesellschaft dringend »Hebammen«, welche das Werden und die Geburt des Neuen begleiten und eine Fehlgeburt nach Möglichkeit verhindern. Denn es gilt, trügerische, falsche oder »böse« Hoffnung abzuwenden (eine Form von fehlgeleiteter, missbrauchter Hoffnung war z. B. der
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