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Die Kunst, nicht abzustumpfen

Die Kunst, nicht abzustumpfen

Titel: Die Kunst, nicht abzustumpfen
Autoren: Stephan Marks
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(2009, 250) häufig beobachtete, haben gerade gutinformierte Intellektuelle, Lehrer und Universitätsprofessoren wenig Hoffnung: »Ihre Lebensattitude ist ein intelligenter Zynismus, der manchmal wie Asche noch die Glut eines früheren Feuers enthält, oft aber auch ausgebrannt und kalt ist.«
    Idealtypisch möchte ich die Hoffnung von zwei Haltungen abgrenzen, die ich hier als Optimismus und Pessimismus bezeichne. Letztere wird oft als Gegenpol zur Hoffnung betrachtet. Optimismus andererseits wird häufig mit Hoffnung verwechselt (Bruininks / Malle 2005) – aber, so Vaclav Havel, »Hoffnung ist nicht dasselbe wie Optimismus. (… Sie ist nicht dasselbe wie die Freude darüber, dass sich die Dinge gut entwickeln.« (zit. in Schulz 2005, 144). Welches sind die Unterschiede?
    Pessimisten wissen auf ein »Ja« immer ein »Aber«. Sie betrachten die Welt unter negativem Vorzeichen, sie erwarten ein böses Ende. Sie sagen etwa: »Es ist schon zu spät«, »man kann eh nichts machen«, »der Einzelne kann gegen die da oben gar nichts ausrichten« oder »es wird nicht gut enden«. Mit dieser Meinung haben Pessimisten (scheinbar) immer Recht, denn sie scheint Tag für Tag durch die Flut von Negativmeldungen bestätigt zu werden. Ist Pessimismus der Preis, der unvermeidbar für das Gut-informiert-Sein zu bezahlen ist?
    Optimisten erwarten stets ein gutes Ende – freilich unter Ausblendung der bedrohlichen Informationen. Sie sagen etwa: »Es wird schon wieder gut werden« oder »alles nicht so schlimm, es wird schon wieder«. Optimismus ist positives Wunschdenken.
    Beide Haltungen, Optimismus wie Pessimismus, haben zur Konsequenz, dass die Betreffenden sich nur wenig engagieren und ihre Fähigkeiten zur Lösung der gesellschaftlichen und
globalen Probleme kaum in die Gesellschaft einbringen. Die Optimisten, weil es diese Probleme für sie eigentlich nicht gibt, und die Pessimisten, weil diese ihrer Meinung nach nicht mehr zu lösen sind. Beide Haltungen könnten – wie eine Sich-selbsterfüllende-Prophezeiung  – dazu führen, dass die befürchtete bzw. verleugnete Katastrophe tatsächlich eintritt: weil wir es versäumen, dagegenzusteuern, solange noch Zeit ist.
    Nicht selten tragen Pessimisten sogar aktiv dazu bei, die Hoffnung von Mitmenschen zu vernichten: »Ekelhafte Schänder der Hoffnung«, so Fulbert Steffensky (2010, 52), »die sich auf die Kunst der Ohnmacht spezialisiert haben, auf die Kunst der Entlarvung aller Hoffnung.« Etwa gutinformierte Intellektuelle, die Ansätze zur Hoffnung zu zerstören suchen, indem sie belegen, dass diese zum Scheitern verurteilt seien. So berichtet Steffensky (2010, 52) von einem Journalisten, der Kindern, die sich für die Einsparung von Abfall engagierten, nachwies, wie wenig mit ihrem Einsatz gewonnen sei: »Es war, als könnte er nicht dulden, dass Menschen Hoffnung haben und sie darstellen in ihrer Arbeit.« Dabei hatten diese Kinder etwas getan, »was sie sich selbst schuldig waren: Sie haben nicht tatenlos zugesehen.« Damit hatten sie die geläufige, lähmende Haltung, wonach man ja nichts tun könne, überwunden.
     
    Mit diesem Buch möchte ich, jenseits von Optimismus und Pessimismus, einen »dritten Weg« aufzeigen: Hoffnung. Den Unterschied zwischen diesen drei Haltungen möchte ich anhand des bekannten Wortspiels veranschaulichen, wonach Optimisten ein halbvolles Wasserglas sehen, Pessimisten ein halbleeres. Demgegenüber bedeutet Hoffnung die Bereitschaft, nach seinen Fähigkeiten und Möglichkeiten dazu beizutragen, dass das Glas voller wird – ganz unabhängig davon, wie voll oder leer es jeweils sein mag. Weil diese Frage im Grunde irrelevant ist.
    Auch Hoffnung kann zu einer Sich-selbst-erfüllenden-Prophezeiung werden, denn indem Menschen an die Möglichkeit
einer gelingenden Zukunft glauben, investieren sie in eine solche und erhöhen damit die Chancen, dass das Erhoffte auch eintritt (Alexander 2008). Ich betone das Wort »Möglichkeit«, denn Hoffnung ist nicht die Gewissheit über eine gelingende Zukunft. Sie ist weder Zukunftsprognose noch »Kontrolle« über schwierige Lebensumstände (Alexander 2008). Sie ist nicht mit zielorientiertem Denken zu verwechseln (Snyder 2002). Hoffnung geht über Zuversicht oder Optimismus hinaus und ist wichtiger als diese (Lazarus 1999).
    Wer hofft
ist jung
     
    Wer könnte atmen
ohne Hoffnung
dass auch in Zukunft
Rosen sich öffnen
     
    Ein Liebeswort
die Angst überlebt
     
    Rose Ausländer 1
    Die Fähigkeit,
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