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Die Kunst engagierter Gelassenheit

Die Kunst engagierter Gelassenheit

Titel: Die Kunst engagierter Gelassenheit
Autoren: Lukas Niederberger
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Existenz. Viele klagen über und leiden unter hohen Erwartungen. Da wir mit dem Beruf, dem Partner oder der Partnerin, dem Hobby, dem Freundeskreis und dem freiwilligen Engagement gleichzeitig verheiratet sind und auch Vater Staat mit seinen vielen Gesetzen und Steuerprozenten an uns zerrt, überrascht es nicht, dass viele den Eindruck haben, keine Luft zum Atmen mehr zu bekommen. Wenn ich in Beratungsgesprächen und Kursen dem Thema »Erwartung« auf den Grund gehe, geben die meisten zu, dass die stärksten und höchsten Erwartungen aus unserer internen Eigenproduktion stammen. Wir fürchten uns nicht nur davor, die Erwartungen von außen nicht erfüllen zu können, sondern mehr noch den eigenen Erwartungen nicht gerecht zu werden. Vor allem unser Perfektionismus und das ausgeprägte Leistungsdenken rauben uns tagsüber die Gelassenheit und nachts den Schlaf. Und wenn wir uns fragen, warum wir die eigenen und fremden Erwartungen stets meinen erfüllen zu müssen, lautet die simple Antwort:
»Wir wollen gefallen und es allen recht machen.« Wie aber sollen wir in Zukunft mit den äußeren und inneren Erwartungen umgehen? Können und müssen wir einen heiteren Umgang mit den Erwartungen finden oder versuchen sie herunterzuschrauben? Welche Erwartungen können wir herunterschrauben, welche nicht?
    Eine Freundin verriet mir folgende Übung: Wir sagen uns beim morgendlichen Blick in den Spiegel: »Ich erwarte von mir heute nichts Bestimmtes.«
    Idealistisches Selbstbild
    »Ungelassen bin ich, wenn ich schlecht vorbereitet bin und dazu nicht stehen kann.« (Mann, 61 Jahre)
    Wir tragen nicht nur von anderen Menschen und von der Welt Ideal-, Traum- und Wunschbilder in uns. Auch an uns selbst lieben wir das Idealbild oft mehr als das reale Wesen. Nach außen präsentieren wir uns ebenfalls lieber mit der Sonnenseite als mit unseren Schwächen und Grenzen, lieber mit dem Schein als mit dem Sein. Ein alter Freund findet darum nie zur Gelassenheit, weil er seit seiner Kindheit verkrampft versucht, als lebendiger Heiliger verehrt und geliebt zu werden. Um dieses Ziel zu erreichen, hat er schon als Kind ein raffiniertes Lügen-System aufgebaut. Auch beim Gelassenheitshemmer Idealbild stellt sich die Frage: Müssen und können wir unser Idealbild der Realität mehr angleichen? Oder finden wir eine Möglichkeit, mit diesem Scheinbild gelassener zu leben?
    Beschränkung in der Autonomie
    »Besonders ungelassen reagiere ich, wenn ich mich fremdbestimmt fühle.« (Frau, 70 Jahre)
    Manche Zeitgenossen fahren reflexartig ihre Stacheln aus, wenn sie den Eindruck haben, jemand wolle sie in ihrer Euphorie und Kreativität bremsen und gönne ihnen ihre Lebensfreude und Lebendigkeit nicht.
    Krankheit, Leiden, Schicksalsschläge
    Viele Menschen verlieren ihre innere Ruhe und Heiterkeit, wenn sie an einer schmerzhaften oder tödlichen Krankheit leiden oder wenn ihre Kinder, Geschwister, Eltern oder Partner erkranken oder verunfallen. Keine Frau wird gelassen reagieren, wenn sie ungeplant schwanger wird, die Arbeitsstelle oder den Partner verliert. Und kein Mann wird im Stand der Seelenruhe verharren, wenn er seine Siebensachen durch Raub oder Feuer verliert oder nach einem Unfall das weitere Leben im Rollstuhl verbringen muss.
    Sicherheitsbedürfnis
    Unser Sicherheitsbedürfnis steigt in der Regel mit wachsendem Alter und paradoxerweise auch mit zunehmendem Reichtum. Und die wachsende Komplexität in der globalisierten Welt steigert unseren Wunsch nach Sicherheit und Ordnung noch zusätzlich. Wer sich bereits in der Kindheit und Jugend nie wirklich auf seine Eltern oder andere Verantwortliche verlassen konnte, wird wohl ein Leben lang an Verunsicherung oder gar Kontrollzwang leiden und es schwer haben,
ein Grundvertrauen ins Leben aufzubauen. Oft erwarten wir die absolute Sicherheit auch dort, wo sie nicht zu finden ist. Absolute Sicherheit gibt es in der Welt nie und nirgends: weder im Straßenverkehr noch bei chirurgischen Eingriffen, weder in Atomkraftwerken noch in kirchlich geschlossenen Ehen. Sicher ist nur der Tod. Wie also können und sollen wir mit unserem Sicherheitsbedürfnis in einer unsicheren Welt umgehen? Wo und wie müssen und können wir uns der unsicheren Welt besser anpassen?
    Mangelndes Selbstwertgefühl
    Eine gute Freundin ist die Tochter einer weltberühmten Künstlerin und erlebt dies nicht nur als Vorteil:
    »Ich bin immer dann nicht gelassen, wenn meine Mutter ins Spiel kommt. Sei es, dass ihr Name aufkommt oder dass
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