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Die Kunst engagierter Gelassenheit

Die Kunst engagierter Gelassenheit

Titel: Die Kunst engagierter Gelassenheit
Autoren: Lukas Niederberger
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nenne dies Interessen- und Güterabwägung:
› Wo lohnt sich angesichts der nicht mehr unbeschränkt vorhandenen Kräfte mein Engagement?
› Entziehe ich mich dem Diktat des Engagements aus Egoismus, Gleichgültigkeit oder mangelnder Zivilcourage?
› Bewege ich mich auf dem Weg zu einer mit Blick auf das bevorstehende Alter angemessenen Lebensweisheit, die sich offenbar definitionsgemäß in Gelassenheit übt?
› Gibt der gelassene Mensch mangels Wille einzugreifen, seine Führungsqualitäten ab oder gibt es ein Führen, Motivieren von und Miterleben mit Mitmenschen im Sinne eines Managements durch Gelassenheit?
› Lebt man ohne Partizipation am Schicksal der Umwelt noch in dieser Welt?
    Heute habe ich bereits ziemlich viel Übung im Loslassen von den Dingen, die mir im bisherigen Leben unabdingbar wichtig schienen und damit sozusagen gesetzt waren, selbst wenn dieses »ziemlich viel« streng genommen »ziemlich relativ« ist. Ich lernte, damit umzugehen, dass ich nach meinem Vater eines Tages auch meine Mutter verlieren werde, dass die Kinder aus meinem Protektorat in die ungeschützte Welt hinausgehen, dass ich meine beruflichen Aktivitäten bald in die Hände jüngerer Menschen werde legen müssen. Ich lernte und lerne noch, jeden Tag loszulassen, was offenbar
die Voraussetzung für das Gelassensein ist. Mein Engagement wird anscheinend sozialverträglicher, das Konfliktpotenzial schrumpft zusehends.
    Man täusche sich jedoch bitte nicht! Solange ich ich bin, will ich die Menschen nach wie vor lieben, will gegen gesellschaftliche Ungerechtigkeiten mit Wort und Tat kämpfen, bei Verletzungen meiner Mitmenschen aller Art einschreiten, will die mir verbleibende Zeit und Kraft weiterhin in den Dienst der Gesellschaft stellen, will zupacken, wo Abseitsstehen ausgeschlossen erscheint – und gleichzeitig daran arbeiten, mich von Menschen zu »des-engagieren«: Es lebe der gelebte Widerspruch!
    Könnte es sein, dass dies genau die engagierte Gelassenheit ist, von der in diesem Buch die Rede ist?

    Küsnacht bei Zürich, im August 2009

EINFÜHRUNG
    Wir stehen mitten im Leben, rotieren nicht selten im Hamsterrad und können das Tempo kaum drosseln. Oft scheinen wir nur noch zu funktionieren. Wir sind mehrfach eingespannt und brennen für verschiedene Themen und Projekte. Und gleichzeitig haben wir keine Lust auf einen Burnout.
    Als ich in den vergangenen Jahren meinen Freunden und Kollegen erzählte, dass ich ein Buch über die Kunst engagierter Gelassenheit schreiben würde, reagierten fast alle gleich: »Dieses Buch ist genau für mich, reserviere mir ein Exemplar. Ich kann dir auch gern als Negativbeispiel im Buch dienen.« Geschrieben habe ich dieses Buch für Menschen, die den Rest ihres Lebens nicht (mehr) auf Ängsten und unstimmigen Kompromissen aufbauen wollen, sondern ihre Energie immer mehr dort einbringen möchten, wo sie mehr Sinn entdecken, mehr Lebendigkeit spüren und im optimalen Fall anderen Menschen und der Welt mehr dienen können.
    Als mich Winfried Nonhoff, der damalige Leiter des Kösel-Verlags, vor sechs Jahren fragte, ob ich ein Buch über Gelassenheit schreiben möchte, betonte ich, dass mich ein 175. Buch über pure Gelassenheit nicht interessieren würde. Gelassen zu leben, ist keine Kunst, wenn wir in einem indischen 5 – Sterne-Ayurveda-Hotel
auf einer Massagebank liegen. Wenn ich die vielen Gelassenheitsbücher betrachte, beschleicht mich meistens das ungute Gefühl, dass darin Gelassenheit als Selbstzweck propagiert wird und dadurch Menschen, die sich mitten im Hamsterrad bewegen, nicht ernst genommen werden: allein erziehende Mütter, Feuerwehrleute, Chirurgen und viele mehr. Mich – und hoffentlich auch Sie – interessiert vielmehr die Frage, wie wir Hingabe und Nähe mitten im hektischen Berufs-und Familienalltag leben können ohne dabei völlig aufgesogen und gelähmt zu werden. Wie können wir Leidenschaft zu Menschen und für Projekte entwickeln und uns gleichzeitig auf gesunde Weise abgrenzen, um nicht auszubrennen? Wo ist das sorglose Vertrauen in den Lauf der Welt gefordert? Wo ist Gelassenheit Ausdruck einer unverantwortlichen Gleichgültigkeit? Und wie kooperieren wir konstruktiv mit Unvermeidbarem?
    Rund hundert Personen haben mit ihren schriftlichen Antworten auf meinen langen Fragenkatalog zur Lebendigkeit und Praxisnähe dieses Buches beigetragen. Ihre Erfahrungen bieten wertvolle Impulse für unseren Alltag.
    Am Ende jedes Kapitels laden Fragen und Übungen zur
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