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Die Kunst engagierter Gelassenheit

Die Kunst engagierter Gelassenheit

Titel: Die Kunst engagierter Gelassenheit
Autoren: Lukas Niederberger
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Ärgers ein ganzes Buch gewidmet. Zorn, Ärger und Wut dienen nicht selten als Motoren für ein kreatives Wirken, nicht weniger als Verliebtheit und Anziehung, Sehnsucht und Begeisterung:
    »Meine Erfahrung ist, dass gute Artikel oft dann entstehen, wenn ich mich über einen Sachverhalt aufrege. Es liegt dann an der Professionalität, darob nicht blind oder blindwütig zu werden.«
    (Journalist, 49 Jahre)
    Der Wut und dem Zorn sind wir nicht hilflos ausgeliefert, sondern können diese Energie steuern. Der Friedenstrainer Ron Halbright schrieb mir auf die Frage nach dem Umgang mit dem Ärger:
    »In meinen Kursen zum Thema Umgang mit Konflikten empfehle ich manchmal, wütend zu werden, bevor man wirklich wütend ist. Damit meine ich: Wenn ich dazu tendiere, mich zu beherrschen und die andere Person eine emotionale Reaktion verlangt, wird diese weiter provozieren, bis ich Emotionen zeige. Darum ist es gesünder, bereits im frühen Stadium eines Konflikts Ärger zuzulassen, als ihn später nicht mehr beherrschen zu können.«
    Wut, Ärger und Zorn können und dürfen im Zusammenleben der Menschen vorkommen. Dass wir manchmal gar von einem »heiligen Zorn« sprechen, hängt mit der hohen Emotionalität des engagiert-gelassenen Nazareners zusammen. Jesus reagierte häufig erregt. Einmal warf er aus Wut über die Händler sogar Marktstände im Tempel um. Das Unterdrücken von Emotionen
ist vor allem dann fehl am Platz, wenn Freiheit und Integrität von uns oder anderen Menschen verletzt werden.
    Engagierte Gelassenheit zeichnet sich dadurch aus, dass Menschen auch mitten in heftigen Debatten, im Streit oder in Momenten der Trauer eine Portion Heiterkeit bewahren. Ich meine damit nicht den »Galgenhumor« oder den »schwarzen Humor«, sondern den »leichten« Humor, der die menschliche Unzulänglichkeit als sympathischen Charakterzug auszudrücken versteht. Wenn ich Beerdigungen halte, spiele ich selbstverständlich nicht den Clown. Aber ich halte es nicht für pietätlos, wenn man auch auf einer Beerdigung schmunzeln oder lachen darf, wenn Macken oder Ticks des Verstorbenen angesprochen werden.
    Humor als Ausdruck engagierter Gelassenheit schätze ich vor allem bei Polit-Kabarettisten, die für eine bestimmte politische oder soziale Sache mit Herzblut und gleichzeitiger Heiterkeit und Leichtigkeit kämpfen. Den meisten Politikern fehlt der Humor, weil sie sich gern für die Retter und den Nabel der Welt halten. Und weil eine der Hauptaufgaben von Politikern darin besteht, eine möglichst hohe Medienpräsenz mit Blick auf die nächsten Wahlen zu erreichen, produzieren sie gern mit Hilfe der Medien aus Banalitäten vermeintliche Skandale. Selbst nüchterne Tageszeitungen wie die Frankfurter Allgemeine Zeitung oder die Neue Zürcher Zeitung verwenden die Ausdrücke »Krise« und »Skandal« für Vorgänge, die bereits wenige Tage später in Vergessenheit geraten sind. Das alte Sprichwort von der Suppe, die sehr viel weniger heiß gegessen wird als sie gekocht wurde, bewahrheitet sich zum Glück immer wieder.

    Humor ist die Fähigkeit, der Unzulänglichkeit der Welt und der Menschen mit engagierter Gelassenheit zu begegnen. Humor ist eine liebevolle Geisteshaltung und Weltanschauung, der besondere Blick auf die eigenen und fremden Grenzen, auf Scham und Schwächen, Misserfolge und Absurditäten, Widersprüche und Unvollkommenheiten. Menschen mit Humor nehmen sich und ihr Engagement wichtig und gleichzeitig nicht todernst.
    Humor ist auch oft ein lebendiger Beweis dafür, dass wir mit fast jeder Situation so oder so umgehen können und dass Freud und Leid, Zufriedenheit oder Frustration im Leben weitgehend eine Frage unserer inneren Einstellung sind. Ein heiteres Beispiel möge diesen Gedanken veranschaulichen: Seit bald 20 Jahren erteile ich Kurse im Lassalle-Haus im Herzen der Schweiz. Meistens findet parallel ein Kurs in Zen-Meditation statt, wo jeweils 20 bis 50 Personen in schwarzen Kleidern schweigend über die Gänge huschen, kein Wort sprechen und auch niemanden grüßen. Manchmal löst dies bei meinen Kursteilnehmern Unverständnis und Widerstände bis hin zu aggressiven Gefühlen aus. Und ich muss dann jeweils an Toleranz gegenüber der spirituellen Vielfalt appellieren. Als während eines Kurses die schweigenden und nicht grüßenden schwarzen Gestalten mal wieder zum Thema in der Gruppe wurden und sich einige Kursgäste richtig ereiferten, meinte eine Teilnehmerin mit einem schelmischen Schmunzeln in ihrem
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