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Die Kunst engagierter Gelassenheit

Die Kunst engagierter Gelassenheit

Titel: Die Kunst engagierter Gelassenheit
Autoren: Lukas Niederberger
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biblische Hohelied der Liebe mit dem Geschlechtsakt zwischen Braut und Bräutigam.
    Gelungene Sexualität setzt wie die Mystik die Gabe zur grenzenlosen Hingabe voraus. Dass mehr als die Hälfte der Paare Sexualität als einen belastenden Faktor in der Beziehung empfinden, hat weitgehend mit der Schwierigkeit zu tun, die Kontrolle über sich ganz aufzugeben und sich der anderen Person schutz- und bedingungslos hinzugeben. Wer sich und seine Umgebung ständig im Griff haben muss, kann weder eine erfüllte Sexualität noch ein Einswerden mit Gott erfahren.

■ Wann und wo empfinde ich die Gratwanderung zwischen leidenschaftlichem Engagement und nüchterner Distanz im Beruf, im gesellschaftlichen Engagement, in Partnerschaft und Familie, im Freundeskreis, in der Freizeit sowie bezüglich Politik, Wirtschaft, Kultur etc. besonders schwierig? [Ref 11]
■ Mit welchen Hilfen gelingt mir diese Gratwanderung?
    Scheitern gestattet!
    Ich glaube an das Paradoxon
des Erfolges durch Scheitern.
    Elbert Hubbard (US-Politiker, 1849 – 1912)

    Bewahre mich vor dem naiven Glauben,
es müsste im Leben alles glatt gehen.
Schenke mir die nüchterne Erkenntnis,
dass Schwierigkeiten und Niederlagen,
Misserfolge und Rückschläge
eine selbstverständliche Zugabe zum Leben sind,
durch die wir wachsen und reifen.
    Antoine de Saint-Exupéry (Flugpionier, 1900 – 1944)

    Ich bin immer wieder gescheitert –
das ist der Grund, warum ich erfolgreich bin.
    Steve Jobs (Gründer und CEO von Apple, *1955)
    Engagierte Gelassenheit äußert sich speziell im Umgang mit Kritik und Widerstand, Rückschlägen und – tatsächlichen oder vermeintlichen – Misserfolgen. Wenn wir die Bilanz unserer getroffenen und nichtgetroffenen Entscheidungen ziehen und unsere Lebensphasen aus der Retrospektive bewerten, stellen wir neben Erfolgen vermutlich auch einige Fehler und Irrtümer fest. Der gelassen Engagierte lebt und wirkt in der Welt von Vornherein mit dem Bewusstsein, dass das Leben aus Versuch und Irrtum besteht und dass man auch – oder gerade – aus Fehlern und Misserfolgen lernt. Dass wir meinen, man müsse fehlerfrei durchs Leben tanzen, ist vermutlich unser größter Fehler.
    Unsere von der Wirtschaft geprägte Gesellschaft ist weitgehend eindimensional leistungs- und erfolgsorientiert. Wenn wir uns auf eine Arbeitsstelle bewerben, sollte unser CV eine lückenlose Erfolgsstory bilden. Die meisten Firmen streben noch immer nach »Business Excellence«, »High Performance« und »Benchmarking« und versuchen durch ISO-Zertifizierungen und Qualitäts-Management Fehlerquoten immer gegen Null zu senken.
    Doch nicht nur die Wirtschaft hat Mühe mit dem Scheitern. Die gegenwärtige Krise der Katholischen Kirche, die bei bestimmten Aussagen sogar den Anspruch auf Unfehlbarkeit besitzt, entstand vor allem darum, weil weltweit Bischöfe während Jahrzehnten versuchten, die Verbrechen ihrer Mitarbeiter zu vertuschen und nach außen ein makelloses Bild der Kirche zu präsentieren.
    Wenn Astrologinnen am Ende eines Jahres, Politologen nach Wahlen und Abstimmungen, Sekten nach dem nichterfolgten
Weltuntergang, Börsen-Analysten nach einem Crash oder Wetter-Moderatoren nach einem regnerischen Tag mit ihren falschen Prognosen konfrontiert werden, finden sie meistens Argumente, warum sie irgendwie doch richtig lagen. Und Tennisspieler, Skirennfahrer und Fußballtrainer versuchen sich meistens zu rechtfertigen, wenn sie nicht gewonnen haben. Das Gefühl, im Recht zu sein und zu gewinnen, tut uns Menschen einfach gut. So gut, dass wir Scheitern um jeden Preis zu vermeiden und schönzureden versuchen.
    Dem permanenten und allgegenwärtigen Erfolgszwang sind wir aber nicht hilflos ausgeliefert. Es gibt zunehmend Bereiche, wo eine Fehlerkultur oder Fehlertoleranz bewusst zugelassen und gefördert wird. In der Ausbildung von Piloten sind Bruchlandungen im Flugsimulator ausdrücklich erwünscht. Und in Grundschulen entwickeln Lehrpersonen zunehmend eine Kultur, welche die Schülerinnen und Schüler wegen Patzern nicht abwertet oder bloßstellt. Sport, der unter dem wirtschaftlichen Druck die spielerische Dimension leider immer mehr verliert, wäre an sich das geeignete Übungsfeld, um eine persönliche und kollektive Fehler- oder Verlierer-Kultur einzuüben. Auch fiese Spiele wie Mensch ärgere dich nicht oder Kuhhandel eignen sich bestens für das Training in engagierter Gelassenheit. Die sozialpädagogischen Spiele, bei denen es nur Gewinner gibt, sind nett gemeint,
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