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Zwischenstation Gegenwart (German Edition)

Zwischenstation Gegenwart (German Edition)

Titel: Zwischenstation Gegenwart (German Edition)
Autoren: Sandra Neumann
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1. Kapitel
     
    Bis vor wenigen Monaten war ich felsenfest davon überzeugt gewesen, dass es mein Traumberuf sei, Lehrerin zu sein. Doch an einem denkwürdigen Tag im September wurde die Welt, wie ich sie kannte, auf den Kopf gestellt. Seitdem war ich zu der Überzeugung gekommen, dass es mir wesentlich besser gefiel, Zeitreisende zu sein. Vor allen Dingen, wenn montagmorgens der Wecker klingelte und man zur Schule musste.
    »Nur noch ein paar Minuten, Meg«, murmelte ich, als mich der Wecker aus meinen tiefen Träumen riss.
    »Hast du vergessen, dass deine Zofe dich verraten und verkauft hat?«, ertönte statt der Stimme meiner Zofe diejenige meines Partners Phil, der seit Neuestem auch mein Freund war. Ich schlug die Augen auf, blinzelte einige Male und blickte ihn verschlafen an. Er lag neben mir und schien hellwach zu sein, wenn man nach seinem fröhlichen Grinsen gehen konnte, mit dem er mich anstrahlte. Er beugte sich zu mir hinüber und gab mir einen liebevollen Kuss. Das war eindeutig angenehmer, als wenn mich Meg geweckt hätte. Meg! Wehmütig dachte ich an die Zeit, die ich bis vor Kurzem noch am Hofe von Elizabeth I. verbracht hatte, und leider auch daran, dass mich Meg, dieses kleine Biest, hintergangen hatte. Ich hatte ihr vertraut und sie hatte nichts Besseres zu tun gehabt, als jeden unserer Schritte an den Chef des Geheimdienstes weiterzuleiten. Nur um Haaresbreite waren wir ihm entkommen und in allerletzter Minute in das 21. Jahrhundert geflohen. Wahrscheinlich glaubten die Wachen bis an ihr Lebensende, dass wir mit dem Leibhaftigen im Bunde gewesen waren. Wie sonst sollten sie es sich erklären, dass wir schlagartig vor ihren Augen verschwunden waren?
    »Außerdem sind wir in der Gegenwart, wo ich keine Zofe oder andere Bedienstete mehr brauche«, erwiderte ich mit leisem Bedauern in der Stimme. Es hatte definitiv Vorteile gehabt, eine Heerschar von Personal um sich zu wissen, die einen von morgens bis abends umhegte und pflegte. Ich hatte mir keine Gedanken darum machen müssen, wie meine Kleidung sauber wurde oder wie mein Zuhause aussah, alles war immer perfekt aufgeräumt gewesen. Doch dem Ganzen hinterher zu jammern nutzte nichts, unser Auftrag war zu Ende und wir waren sicher in der Gegenwart gelandet. Nun hieß es: zurück zu Schularbeiten und Elternabenden!
    »Wenn du solche Entzugserscheinungen hast, kann ich dir gerne behilflich sein, in deine Kleider zu kommen. Du weißt, dass ich gar nicht mal so schlecht darin bin«, bot Phil sich an.
    »Um ehrlich zu sein, bevorzuge ich es, wenn du mir aus meinen Kleidern hilfst«, erwiderte ich auffordernd.
    »Na, das höre ich doch gerne!« Schon im nächsten Moment war er an meiner Seite und fing an , mich mit Küssen zu liebkosen. Seine Hände streichelten mich an Stellen, die mich garantiert an einiges denken ließen, nur nicht mehr daran, das Bett zu verlassen.
     
    Nur widerwillig warf ich eine Weile später die Decke beiseite und machte mich langsam auf den Weg ins Badezimmer. Wir waren seit fast einer Woche wieder im 21. Jahrhundert und noch immer fiel es mir schwer, mich in mein normales Leben einzugewöhnen. Das morgendliche Aufstehen war der schwierigste Teil für mich, gefolgt davon, rechtzeitig in der Schule zu sein. Und auf die Arbeit in der Schule freute ich mich auch nicht wirklich. Merkwürdig, wie mein Leben sich geändert hatte, dachte ich. Ich hatte immer geglaubt, dass ich gerne Lehrerin war, aber nun merkte ich, dass ich es kaum abwarten konnte, erneut auf Zeitreise zu gehen. Mir war klar, dass ich in den nächsten Monaten eine Entscheidung treffen musste. Ich wollte nicht mehr auf Dauer an der Schule bleiben, doch woher sollte das Geld kommen? Zwar hatte ich für meinen Einsatz im elisabethanischen England eine ordentliche Summe überwiesen bekommen, die ich beiseitegelegt hatte, nur wie würde sich das zukünftig gestalten? Konnte ich genug verdienen, um die Schule aufzugeben? Phil zu fragen, war müßig. Dank eines äußerst großzügigen Treuhandfonds, den seine Mutter ihm hinterlassen hatte, und dank sehr fähiger Finanzberater mehrte sich sein Geld monatlich, ohne dass er nur einen Finger krummmachen musste. Hinzu kam, dass Richard mich eigentlich nur hatte einsetzen wollen, falls man für die Aufträge gelegentlich eine Frau brauchte, aber was das anging, musste ich mir keine Gedanken mehr machen. Dafür war auf der letzten Zeitreise zu viel geschehen, als dass ich nur noch Aushilfe war. Ohne Widerrede hatte er sich
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