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Die Kunst engagierter Gelassenheit

Die Kunst engagierter Gelassenheit

Titel: Die Kunst engagierter Gelassenheit
Autoren: Lukas Niederberger
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rauben uns aber die Chance, Misserfolge und dadurch engagierte Gelassenheit einzuüben. Ein geeignetes Übungsfeld für die engagierte Gelassenheit ist auch der Handel mit Aktien an der Börse – eine ständige Wellenbewegung von Erfolgen und Verlusten, die uns früher oder später dazu zwingt, entweder langfristig
zu denken und uns nicht abhängig zu machen von Tageskursen oder die Finger von diesem Spiel zu lassen.
    Bei Vorträgen und Kursen zum Thema Entscheidungsfindung werde ich oft gefragt, wie man mit falschen Entscheidungen im Leben umgehen soll. Die meisten denken dabei an den Bruch früherer Paarbeziehungen. Trennungen bedeuten aber nicht zwingend ein Scheitern der Beziehungen, sondern können sogar notwendig sein für das weitere Wachstum der beiden Partner und zum Ermöglichen von neuen, wesentlicheren, erfüllenderen und ehrlicheren Beziehungen.
    Wir scheitern nicht wirklich dann, wenn eigene Pläne und Wünsche oder gesellschaftliche Ideale und Erwartungen nicht voll und ganz erfüllt werden, sondern nur, wenn wir unserer inneren Stimme, unserem Gewissen und unserem Herz nicht Gehör und Gehorsam schenken. Wenn wir am Ende unseres Lebens Bilanz ziehen werden, sind vermutlich nicht unsere Irrtümer und unerfüllten Erwartungen entscheidend für ein gelungenes oder gescheitertes Leben, sondern ob wir uns selbst treu gewesen sind. Martin Buber beschreibt dies in einer chassidischen Geschichte in der Rabbi Sussja kurz vor seinem Tod von Anhängern und Freunden gefragt wurde, ob er denn gar keine Angst hätte. Rabbi Sussja meinte ja, wenn er an all die Großen und Bedeutenden dächte, an Mose und Abraham und Jeremia, den Propheten, aber er wäre sicher, dass er in der kommenden Welt nicht gefragt würde:
    »›Warum bist du nicht Mose gewesen?‹ Man wird mich fragen: ›Warum bist du nicht Sussja gewesen?‹«
    Der Meister im Umgang mit dem – vermeintlichen – Scheitern ist der 33-jährige Nazarener am Kreuz. Auf den ersten Blick ist dieser Tod Ausdruck des totalen Scheiterns. Auf den zweiten Blick aber ist es das Bild des Siegers, der die Spirale der Gewalt gebrochen und die Kraft der Liebe über die Macht des Todes stellte. Leider wird in den grässlichen Kruzifixen in Schulzimmern und Amtsstuben nur Jesu Leiden für unsere Sünden glorifiziert und kaum je der Sieg über das Paradigma von Gewalt und Gegengewalt vermittelt. Engagierte Gelassenheit bedeutet im biblischen Sinn nicht die durch die US-Verfassung angestrebte Happyness, sondern Seligkeit, welche Leiden und Scheitern als unvermeidbare Zutaten des Lebens integriert. In den Seligpreisungen (in der Bergpredigt im 5. Kapitel des Matthäus-Evangeliums) wird auch und gerade all jenen Menschen ein erfülltes, sinnvolles und gelingendes Leben verheißen, die arm sind und trauern, unter Gewalt und Ungerechtigkeit leiden oder wegen ihres Glaubens, ihrer Werte und Überzeugungen diskriminiert werden.

■ Wann habe ich ein Scheitern oder Versagen so erlebt, dass ich bis heute darin keinen positiven Sinn oder keine Lernchance entdecken kann?
■ Wann und wo bin ich gewachsen und gereift durch sogenanntes Scheitern oder Versagen?
■ Woran liegt es, dass ich in manchen Fällen im vermeintlichen Scheitern etwas lerne und profitiere und im anderen Fall nicht?
    Heiterkeit, Humor und heiliger Zorn
    Gott schütze mich vor Katastrophen
und Menschen, die nicht lachen können. [Ref 12]
    Johann Wolfgang von Goethe (1749 – 1832)

    [Der weise, reife Mensch]
lebt sein Leben mit einer Grundstimmung
der gelassenen Heiterkeit.
Diese Heiterkeit ist höchste Erkenntnis und Liebe,
ist Bejahen aller Wirklichkeit,
Wachsein am Rand aller Tiefen und Abgründe.
    Hermann Hesse (Schriftsteller, 1877 – 1962)

    Humor ist der Knopf,
der verhindert, dass der Kragen platzt.
    Joachim Ringelnatz (Kabarettist und Autor, 1883 – 1934)
    Weder engagierte Gelassenheit als Wirken mit Herzblut und mit der Fähigkeit zur inneren Distanz noch Gelassenheit als Haltung der Seelenruhe huldigen einer emotionalen Immunisierung. Zorn und Ärger sind in manchen Situationen mehr als berechtigt – vor allem, wenn bestimmte Leiden, Ungerechtigkeiten und Diskriminierungen wie etwa die Todesstrafe, Umweltschäden, Wal- und Robbenjagd, Kindsmissbrauch und Börsencrash durchaus vermeidbar wären. Ärger und Wut sind positive Emotionen oder zumindest neutrale Energien und können sozial konstruktiv kanalisiert werden. Die Psychotherapeutin und Psychologieprofessorin Verena
Kast hat dem Sinn und Lob des
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