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Die Kunst des guten Beendens

Titel: Die Kunst des guten Beendens
Autoren: Katharina Ley
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und schmerzhaftes Kapitel für sie. Ich versuchte nachzuvollziehen, wie es damals für die sechsjährige Rita gewesen war, als die Mutter die Familie unvermittelt und für Rita nicht nachvollziehbar verließ. Es war ein traumatisches Erlebnis. Rita begann zu stottern und wurde zur Bettnässerin. Ein Jahr später erhielt sie eine Stiefmutter.
    Ich begann zu begreifen, dass Rita mir zwar Hoffnungen machte, sich aber von ihrem Mann nicht trennen konnte. Ihre Verlassenheitsangst saß tief. Ich begann zu grübeln, weshalb ich mich in eine bereits gebundene Frau verliebt und ihren Versprechen geglaubt hatte. Manches Mal war ich drauf und dran, mich von Rita zu trennen. Natürlich gelang es mir nicht, weil ich es gar nicht wollte. Ich war einfach immer wieder sehr verletzt. Meine Wünsche nach einer Frau und Familie waren groß. Ich erinnerte mich oft an jenen verliebten Abend, an dem ich erfuhr, dass Rita bereits gebunden war.
    Ich wurde immer unglücklicher. Unsere Liebestreffen wurden mehr und mehr überschattet von unseren Ängsten und Nöten. Wir waren beide gefangen und verstanden uns selbst nicht mehr. Keiner von uns wusste weiter.
    Ich war derjenige, der zuerst von Trennung gesprochen hatte. Aber es war Rita, die die Trennung durchzog. Mit vielen entsetzlichen Rückfällen. Es war ein Alptraum, der nicht enden wollte.Seit einem Monat sehen wir uns nicht mehr und hören auch nichts voneinander. Ich bin todunglücklich und weiß noch nicht, wie mein Leben weitergehen soll.«
    Solange eine Beziehung zu einem Menschen, zu einer Arbeit, einer Wohnung oder einem Lebensstil befriedigend und bereichernd ist, wird die Macht der Gewohnheit im vertrauten, versichernden und bewährten Sinn erlebt. Wir gehen eine Liebesbeziehung oder eine Freundschaft ein, weil wir lieben, geliebt werden und wachsen möchten. Der Zauber des Anfangs wird so lange wie möglich beschworen, auch dann, wenn er gar nicht mehr wirkt. Wenn Menschen jedoch in einer Beziehung oder an einem Arbeitsplatz leiden, wenn sie krank werden und es fast nicht mehr aushalten in unbefriedigenden, vielleicht gar entwürdigenden Verhältnissen, in krankmachenden Beziehungen: dann steht möglicherweise eine Veränderung an.
    Menschen möchten halten und bewahren, an den ursprünglichen Zauber glauben. Wie Rilke es ausgedrückt hat: »Wir haben, wo wir lieben, ja nur dies, einander lassen. Denn dass wir uns halten, das fällt uns leicht und ist nicht erst zu lernen.« Das Halten und Bewahren lernen wir von klein an. Wenn wir uns sicher fühlen, können wir auch loslassen.
    Khalil Gibran, der libanesische Dichter, drückt es in seinen Worten aus: »Lasset Raum zwischen eurem Beieinandersein. Und lasset Wind und Himmel tanzen zwischen euch. Liebet einander, doch macht die Liebe nicht zur Fessel. Singet und tanzet zusammen und seid fröhlich, doch lasset jeden von euch auch allein sein.« 6
    Der Zauber des Anfangs bildet gewissermaßen den Anfangsmythos einer Beziehung – sei es zu einem Menschen, zu einem Beruf, zu etwas, das einem ganz wichtig ist. Die stetige Vergegenwärtigung dieses Anfangsmythos kann dazu verhelfen, den Sinn der Beziehung lebendig zu halten und den anfänglichen Zauber zu beschwören.
Sich verlieben und sich entlieben
    Doch alle Lust will Ewigkeit –
Will tiefe, tiefe Ewigkeit!
    Friedrich Nietzsche

    Im Zustand der Verliebtheit spielt die Phantasie eine entscheidende Rolle. Die Wirklichkeit der Begegnung und die Wahrnehmung des anderen Menschen und seiner selbst werden phantastisch überhöht. Das gibt beiden Verliebten die einzigartige Möglichkeit, ein Stück weit in die Idealisierung durch den anderen hineinzuwachsen. Die Verliebtheit ist immer ein verzaubernder, einzigartiger Zustand. Sie ist eine übermächtige, exklusive Bindung an eine Person. Sie nährt sich aus sich selbst. Erfahrene Paartherapeuten unterscheiden klar zwischen Verliebtheit und Liebe. Sie weisen darauf hin, dass es entscheidend ist für das Gelingen einer Beziehung, dass die ausschließliche und andere ausschließende Verliebtheit nach einigen Monaten in Liebe verwandelt werden kann. Liebe ist eine Form des Seins, ein Geben und ein Nehmen, sie steht in einem größeren Zusammenhang und ist nicht auf eine einzige Person beschränkt. Die Verliebtheit mit ihrem phantastischen Charakter ist exklusiv, doch schließt sie die Liebe zu anderen Menschen nicht aus.
    Ist Verliebtheit ein schöner Ausnahmezustand, dem die Macht der Gewohnheit droht und der schließlich in eine erneute
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