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Die Kreuzzüge

Die Kreuzzüge

Titel: Die Kreuzzüge
Autoren: Thomas Asbridge , Susanne Held
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Der manipulative Umgang mit der Geschichte der Kreuzzüge und der Erinnerung an sie begann mit der Romantik im 19. Jahrhundert und der triumphierend auftretenden abendländischen Kolonialpolitik. Fortgesetzt wurde er durch die politische Propaganda und die ideologischen Schmähreden innerhalb der muslimischen Welt. Sinn und Zweck der Identifizierung und Erforschung dieses Prozesses besteht nicht darin, die Ideologien des Imperialismus, des arabischen Nationalismus oder des Islamismus als solche entweder zu akzeptieren oder zu verdammen; vielmehr sollen die grobschlächtigen Vereinfachungen und eklatanten Ungenauigkeiten herausgestellt werden, die im Namen dieser Weltanschauungen begangen werden. [729] Die politischen, kulturellen und religiösen Fakten der weit zurückliegenden Kreuzzüge – oder das, was von ihnen noch nachklingt – wurden durch einen spekulativ-unrealistischen Blick auf die Vergangenheit zurechtgebogen, einen Blick, der sich in Karikaturen, Zerrbildern und Lügengeschichten ausdrückt und nichts zu tun hat mit den mittelalterlichen Realitäten der von beiden Seiten ausgehenden Gewalt, der Diplomatie und des Handels, der Feindschaft und der Kooperation, die den Kern der Kreuzzugsbewegung ausmachen.
    Natürlich hat die Menschheit schon seit jeher die Schwäche, geschichtliche Ereignisse entschieden verdreht darzustellen. Die Gefahren des »Kreuzzugsparallelismus« jedoch sind besonders bedrohlich. In den letzten beiden Jahrhunderten hat sich ein trügerisches Geschichtsmuster herausgebildet. Es suggeriert, dass die Kreuzzüge zum Dreh- und Angelpunkt für die Beziehung zwischen Islam und Abendland wurden, weil aus ihnen eine tief verwurzelte und unaufhebbare Antipathie entsprang, die beide Kulturen in einen destruktiven, kein Ende kennenden Krieg verstrickte. Diese Vorstellung einer direkten, ununterbrochenen Konfliktlinie, die das Mittelalter mit der Neuzeit verbindet, hat dazu geführt, dass man den titanischen Zusammenstoß der Kulturen ganz allgemein und fast schon fatalistisch als Notwendigkeit akzeptiert. Nun war die Ära der Kreuzzüge zwar ohne Zweifel eine finstere, ja grausame Zeit, doch sie hinterließ keine dauerhaften Spuren in der Gesellschaft der abendländischen Christen und der Muslime. In Wirklichkeit waren die Kriege um das Heilige Land bis zum Ende des Mittelalters praktisch in Vergessenheit geraten und kamen erst Jahrhunderte später wieder in den Blick.
    Vielleicht können uns die Kreuzzüge tatsächlich Aufschluss geben über unsere Welt. Die meisten, wenn nicht gar all ihre Lehren lassen sich allerdings aus anderen Epochen der Menschheitsgeschichte genauso ziehen. In diesen Kriegen wurde deutlich, welch ein enormes Potential Glaube und Ideologie haben, leidenschaftliche Massenbewegungen und verbissene Zwietracht auszulösen; sie belegen, dass kommerzielle Interessen Konfliktgrenzen zu überschreiten vermögen; und sie illustrieren, wie einfach es ist, Hass und Argwohn gegenüber dem »Anderen« für die eigenen Ziele nutzbar zu machen. Die Vorstellung jedoch, dass der Kampf um die Herrschaft über das Heilige Land, der von lateinischen Christen und levantinischen Muslimen vor vielen Jahrhunderten ausgetragen [730] wurde, einen direkten Einfluss auf die moderne Welt hat oder haben sollte, ist falsch. Die Realität dieser mittelalterlichen Kriege muss erforscht und verstanden werden, wenn man nicht propagandistischer Polemik und aufwieglerischen Feindbildern zum Opfer fallen will. Insgesamt jedoch sollte man die Kreuzzüge dort lassen, wo sie hingehören: in der Vergangenheit.

ANHANG

[733] ZEITTAFEL
27. November 1095
Papst Urban II. ruft in Clermont zum ersten Kreuzzug auf
18. Juni 1097
Nicäa kapituliert vor den ersten Kreuzfahrern
1. Juli 1097
Schlacht von Doryläum
3. Juni 1098
Plünderung Antiochias
28. Juni 1098
Kampf gegen Kerboga von Mosul in Antiochia
15. Juli 1099
Einnahme Jerusalems durch die Teilnehmer am ersten Kreuzzug
Mai 1104
Schlacht von Harran
28. Juni 1119
Roger von Antiochia wird auf dem Blutfeld erschlagen
Juni 1128
Zangi übernimmt die Herrschaft in Aleppo
Dezember 1144
Zangi erobert Edessa
1. Dezember 1145
Papst Eugen III. ruft zum zweiten Kreuzzug auf
September 1146
Zangi wird ermordet; Nur ad-Din greift in Aleppo nach der Macht
Juli 1148
Der zweite Kreuzzug scheitert mit seiner Belagerung von Damaskus
29. Juni 1149
Schlacht von Inab
19. August 1153
Die Lateiner erobern Askalon
April 1154
Nur ad-Din besetzt Damaskus
11. August 1164
Nur ad-Din besiegt
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