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Die Kreuzweg-Legende

Die Kreuzweg-Legende

Titel: Die Kreuzweg-Legende
Autoren: Jason Dark
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die Worte des Reiters nicht aus dem Kopf. In den vergangenen Minuten war etwas geboren worden. Die Kreuzweg-Legende!
    ***
    Es war die zweite Nacht nach dem Tod des Reiters!
    Der langersehnte Regen war schon am Tage gefallen und hatte die Felder, Wiesen und Wälder mit seiner Feuchtigkeit erfrischt. Sehr heiß war der Sommer gewesen, jetzt konnten Mensch und Tier wieder Atem holen.
    Aus dem Staub wurde dicker, zäher Schlamm. Die Pferde und Ochsen hatten Mühe, die Gespanne durch den breiigen Morast zu ziehen. Auf den Feldern gab es bereits die ersten Überschwemmungen, so daß sich regelrechte Seen bildeten.
    Am Abend, die Dunkelheit war noch nicht hereingebrochen, ließ der Regen nach. Dafür veränderte sich die Luft. Ein Gewitter zog auf. Im Westen wurde der Himmel schwefelgelb. Die Wolken nahmen ein seltsames Farbenspiel an. Da die Sonne noch nicht völlig verschwunden war und hinter ihnen stand, schickte sie ihre letzten Strahlen gegen die graue Wand und hellte sie rötlich gelb auf.
    Sehr mißtrauisch betrachteten die Menschen den Himmel. Sie kannten die Sommergewitter und wußten genau, wie gefährlich sie werden konnten. Niemand dachte mehr an den Gehängten. Er hing am starken Ast der Eiche und bewegte sich unter den Windstößen. Wirklich niemand?
    Es gab eine Gestalt, die an ihn dachte und sich bei Einbruch der Dunkelheit aus dem Haus schlich.
    Noch hatte es nicht angefangen zu stürmen. Der Himmel leuchtete nach wie vor düster und fahl. Bald würde der Regen kommen und sich Sturm und Donner ablösen.
    Bis dahin wollte die Gestalt es geschafft haben. In ihrem langen Regenumhang verschmolz sie mit der Düsternis, als sie den kleinen Ort verließ und über den Schlammweg schritt.
    Ihr Ziel war die Eiche!
    Sie stemmte sich gegen den kühler werdenden Wind, hörte in der Ferne ein Krachen und Rumoren, so daß sie das Gefühl hatte, die Hölle würde ihr für das Tun Beifall spenden.
    Sie ging noch schneller. Eine Hand hatte sie in der Tasche vergraben. Die Finger dort umklammerten den Griff eines Messers. Sie hatte die Klinge heimlich an sich genommen. Niemand sollte wissen, was sie in dieser Nacht noch vorhatte.
    Und sie erreichte ihr Ziel, ohne daß sie ein Tropfen Regen genäßt hätte. Für eine Weile blieb sie unter den Ästen stehen und starrte auf den Gehängten.
    Er hatte sich verändert. Die beiden Tage waren nicht ohne Spuren an ihm vorübergegangen. Die Gesichtshaut war eingefallen, der untere Kiefer hing der Brust entgegen, und die Zunge schaute aus dem Mund. Die Gestalt fürchtete sich. Ihre Hände griffen in den Stoff der Kapuze und zogen sie vom Kopf.
    Langes Haar fiel bis auf die Schulter. Die Gestalt war eine Frau, ein Mädchen.
    Wanda…
    Sie hatte es einfach nicht ausgehalten. Noch immer spukte ihr der Ruf des Mannes durch den Kopf, der sie hatte zur Frau machen wollen. Jetzt baumelte er tot vor ihr, drei Fußlängen breit über dem Boden, wo er im Wind schaukelte.
    Nein, das konnte sie ihm einfach nicht antun. Es war seiner unwürdig, so zu sterben.
    Die ersten Blitze spalteten die dicke Wolkendecke. Sie huschten über den Himmel, waren aber noch nicht so nah, daß sie dem Mädchen gefährlich werden konnten.
    Das ferne Wetterleuchten erhellte trotzdem für eine kurze Zeitspanne auch die Umgebung des Galgenbaums und damit das Gesicht des gehängten Reiters.
    Im fahlen Widerschein wirkte es bleich, dann wieder schattig. Etwas huschte über die Haut und gab ihr einen Anstrich, als würde der unheimlich wirkende Tote leben.
    Wanda schüttelte sich. Sie bekam plötzlich Angst vor dieser Leiche und überlegte, ob sie den Toten einfach hängen lassen sollte. Das wollte sie auch nicht. Sie hatte den weiten Weg nicht umsonst unternommen, nein, so ging das nicht. Wer einmal gestorben war, der blieb tot. Er konnte nicht mehr leben, da spielten ihr die hellen Schatten der Blitze einen gewaltigen Streich.
    Zudem fühlte sie sich auch nicht so gut. Sie stand unter einer starken Anspannung, denn das, was sie vorhatte, war nicht rechtens. Nur der Pfarrer oder der Totengräber besaßen die Berechtigung, einen Gehängten aus der Schlinge zu hieven.
    Diesen Brauch wollte sie brechen.
    Peitschend schlug der Donner zu. Die ganze Welt schien auseinanderbrechen zu wollen. Wanda bekam es mit der Angst zu tun. Sie lief bis an den Stamm, drehte sich um und preßte sich mit dem Rücken gegen die harte Rinde. Dabei schaute sie nach vorn. Wind kam auf.
    Wie mit gierigen Händen fuhr er herbei, griff in das Laub über
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