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Die Kreuzweg-Legende

Die Kreuzweg-Legende

Titel: Die Kreuzweg-Legende
Autoren: Jason Dark
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wehendem Rock auf die Gruppe zu und fuchtelte mit den Armen. »Nein, ihr dürft ihn nicht hängen. Er hat mir nichts getan. Er liebt mich, er wird mich immer lieben, das weiß ich genau. Wenn ihr ihn hängt, müßt ihr auch mich hängen. Ich will mit ihm…«
    Die Männer schauten sich an. Keiner brachte Verständnis für Wandas Reaktion auf.
    Sie wollte den Pulk der Menschen durchbrechen, was die anderen natürlich nicht zuließen. Sofort packten sie zu.
    Es mußten drei Männer eingreifen, um die Tobende zu bändigen. Wanda stemmte sich gegen den Boden. Einen Arm hielt sie ausgestreckt, und ihre Hand wies auf den knienden Reiter. »Bitte, ich will ihn! Ihr könnt ihn nicht hängen!« Tränen der Trauer rannen über ihr Gesicht. Sie vermischten sich mit Schweiß und Staub.
    Drei Männer hatten Mühe, die Verzweifelte zurückzuziehen. Einer meinte: »Ich möchte nur mal wissen, was diese Weiber an dem schwarzen Kerl finden. Ist der denn etwas Besonderes?«
    Sie bekamen keine Antwort. Wanda hatte den Kopf gesenkt und überließ den anderen seinem Schicksal.
    »Hängt ihn endlich auf!« forderte eine schrille Stimme. »Ich will ihn hängen sehen. Er hat meine Tochter verführt und getötet. Ich will ihn tot haben, hört ihr?«
    »Ja, ja, schon gut«, erwiderte der Mann mit der Schlinge und gab zwei anderen ein Kopfzeichen.
    Die verstanden.
    Sie bückten sich, packten den Reiter unter und hievten ihn in die Höhe. Auf eigenen Beinen konnte er nicht mehr laufen. Die Füße schleiften durch das dünne Gras unter dem Eichenbaum.
    Der Henker des Reiters stand genau an dem Ast, den er sich ausgesucht hatte. Dorthin wurde der Delinquent geschafft. Sein Gesicht wirkte sehr bleich. Unter den Augen befanden sich ringartige Schatten auf der Haut. Die Pupillen hatten jeglichen Glanz verloren. Dieser Mensch würde nicht mehr lange leben. Schon jetzt hatten ihn die Schwingen des Todes gestreift. Er schaute seinen Henker an. Noch einmal riß er sich zusammen, öffnete den Mund und preßte die nächsten Worte hervor. »Das habt ihr nicht umsonst getan, ihr Verfluchten. Ihr könnt mich hängen, aber die Rache wird kommen. Die Kreuzweg-Legende wird euch verfolgen bis in alle Zeiten. Was dem Teufel einmal gehört, läßt er sich von einem Menschen nicht wegnehmen, ohne daß sie dafür bezahlen. Ihr werdet bezahlen, das schwöre ich. In dieser Stunde ist die Kreuzweg-Legende geboren…«
    »Hängt ihn doch endlich!« rief jemand, dem die Worte unter die Haut gefahren waren. Zudem galt der Mann als sehr abergläubisch. Zwei weitere Helfer sprangen hinzu, während der Henker den Strick über den dicken Ast warf. An der anderen Seite pendelte er herab. Drei weitere Männer hielten ihn fest. Die Leute waren sehr kräftig, der Reiter würde ihnen nicht aus der Schlinge rutschen, wenn sie ihn langsam hochzogen.
    Er mußte angehoben werden, damit man ihm die Schlinge über den Kopf streifen konnte. Der Henker tat es langsam.
    »Mach schneller!« wurde er aufgefordert. »Er soll uns nicht vorher schon sterben.« Andere nickten beifällig.
    Der Henker ließ sich nicht aus der Ruhe bringen. Er prüfte den Sitz der Schlinge und nickte zufrieden, bevor er einen Schritt zurücktrat und die erhobene Hand sinken ließ.
    »Ihr könnt ihn hochziehen!«
    Auf diesen Befehl hatten die Männer gewartet. Sie setzten ihre Kraft ein und zogen.
    Alle schauten zu, wie der Reiter auf schreckliche Art und Weise vom Leben in den Tod befördert wurde.
    Auch Wanda wurde gezwungen, hinzusehen. Sie sah ihn durch den dichten Tränenschleier. Die Reste der Flammen tanzten, verzerrten zudem noch die Sichtperspektive, verströmten heiße Luft, die wie ein dünner Vorhang auf das Mädchen wirkte, so daß sie den allmählich in die Höhe gezogenen Reiter wie einen verzerrten Schatten sah. Dann baummelte er…
    Um einen anderen Ast wurde das Seil befestigt. Sie wollten den Reiter drei Tage hängen lassen, so war es Brauch. Die Männer bekreuzigten sich.
    Sie waren der Meinung, ihre Pflicht getan zu haben. Schweigend wandten sie sich ab.
    Auch Wanda ging mit. Ihr Gesicht war starr und unnatürlich blaß geworden. Kein Laut drang über ihre Lippen.
    Zurück blieb ein Gehängter. Seine Gestalt schaukelte im Wind. Der Kopf hing ein wenig verdreht in der Schlinge, und dicht über seiner Gürtelschnalle schaute der Schaft eines Pfeils hervor.
    »Den unsrigen zur Mahnung, den anderen als Warnung«, sagte der Henker noch, als er einen letzten Blick auf den Baum warf. Dennoch gingen ihm
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