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Die Kreuzweg-Legende

Die Kreuzweg-Legende

Titel: Die Kreuzweg-Legende
Autoren: Jason Dark
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los, daß dieser Raum auf irgendeine Art und Weise entweiht war.
    Noch stand ich nahe der Eingangstür. Ich hatte mich in den Schatten gedrückt und mit dem Rücken gegen die weiße Mauer gepreßt. Aus weit geöffneten Augen schaute ich nach vorn, wo sich der kleine, aber prachtvoll geschmückte Altar befand, auf dem mehrere Vasen standen. Aus ihren Öffnungen ragten die bunten, frischen Sommerblumen, die gläubige Polen zweimal in der Woche auswechselten. Diese Kapelle gehörte einer polnischen Gemeinde mitten in London. Es waren Exilpolen, die an der Themse ihre zweite Heimat gefunden hatten. Auf diplomatischem Wege war man an meinen Chef, Sir James Powell, herangetreten und hatte ihn gebeten, einen Mann in die Kapelle zu schicken, weil es angeblich dort nicht geheuer sein sollte. Sir James hatte zugestimmt. Im Zeichen eines politischen Winters sollte man jede Gelegenheit nutzen, sich auf dem kleinen Weg Freunde zu verschaffen, wenn die Großen schon nicht mitspielten. Sir James hatte zugestimmt und mich losgeschickt.
    Ich war zudem froh gewesen, der noch stickigeren Büroluft entfliehen zu können und hätte mich in der Kapelle wirklich wohl gefühlt, wäre da nicht dieses seltsame Gefühl gewesen, das sich wie ein Ring aus Eis um meine Brust gelegt hätte.
    Es ging um eine Madonna!
    Soviel hatte man mir gesagt. Was mit ihr genau geschehen war, konnte ich nicht sagen. Zudem sah ich von meinem Standort die Madonna auch nicht, denn sie stand nicht auf dem Hauptaltar, sondern auf einem kleineren im schmalen Nebenschiff der Kapelle.
    Sie hatte nur sehr kleine Fenster. Zudem lagen sie hoch, die Scheiben waren bunt und filterten das Sonnenlicht entsprechend stark, so daß es kaum mehr den Boden und die dunkelbraunen Bänke erreichte. Die Kirche blieb im halbdunkel…
    Es störte mich auch die Luft. Sie roch nach Weihrauch, was nicht weiter schlimm gewesen wäre, aber auch der Gestank von Verbranntem drang in meine Nase.
    Das machte mich skeptisch.
    Noch blieb ich auf meinem Platz, weil ich die Atmosphäre zunächst in mich aufnehmen wollte.
    Kein Laut drang an meine Ohren. Nicht einmal das Knacken der alten Holzbänke, wenn das Material arbeitete. Ich hörte allein meinen eigenen Atem, der flach über die Lippen drang.
    Draußen hatte ich geschwitzt. Allmählich kühlte der Schweiß auf meiner Stirn ab.
    Da ich ihn nicht wegwischte, trocknete er zu einer kalten Schicht aus. Ich dachte wieder an die Madonna und auch daran, daß ich nicht länger im toten Winkel der Tür stehenbleiben wollte. Also löste ich mich aus dem Schatten.
    Sehr vorsichtig schritt ich in den Mittelgang hinein. Unter meinen Sohlen knirschte der Staub. Durch drei Fenster an der linken Seite drang das Sonnenlicht. An der gegenüberliegenden Wand zeichnete es farbige Flecken.
    Bis zum Ende der Bankreihe trat ich vor, blieb dort stehen, schaute noch einmal auf den Altar und konnte nichts Verdächtiges feststellen. Anschließend wandte ich mich nach rechts.
    Ich schritt an der letzten Bankreihe entlang, erreichte ihr Ende und damit auch das kleine Seitenschiff oder den schmalen Seitengang, wo auch der Altar mit der geheimnisvollen Marienfigur stand. Da in seiner Nähe einige Kerzen mit ruhiger Flamme brannten, konnte ich ihn auch aus dieser Entfernung erkennen. Er bestand aus grauem Stein, war mit Blumen geschmückt, so daß zwischen den beiden Vasen die Figur der Mutter Gottes ihren Platz gefunden hatte. Um sie drehte es sich.
    Und sie ließ ich auch nicht aus den Augen, als ich möglichst leise auf den Altar zuschritt.
    Ich blieb erst stehen, als ich bereits die Wärme derbrennenden Kerzen spürte.
    Man konnte nicht direkt an den Altar heran. Um die Figur fassen zu können, mußte ich über ein Seil hinweggreifen.
    Da mich das Kerzenlicht ein wenig blendete, stellte ich einige Leuchter zur Seite. Jetzt wurde die Sicht besser.
    Auf dem Hauptaltar hatten ebenfalls Blumen gestanden, zudem in prächtiger Blüte.
    Auch auf diesem Altar standen Blumen. Sie mußten ebenfalls frisch geschmückt sein.
    Dennoch gab es einen Unterschied.
    Diese Blumen hier ließen die Köpfe hängen, als wären sie in tiefer Trauer.
    Für mich ein rätselhaftes Phänomen, denn die Luft hier war nicht anders als am Hauptaltar.
    Dennoch waren die Blumen verwelkt.
    Von den traurigen Blüten zur Madonna. Mein Blick saugte sich an der Figur fest.
    Sie war schwarz!
    Für Polen eigentlich nicht außergewöhnlich, denn es gibt in diesem Land mehrere schwarze Madonnen. Diese Figur besaß
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