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Die Kreatur

Die Kreatur

Titel: Die Kreatur
Autoren: Dean Koontz
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Durchschnittsbürger verblüfft hätten, sondern auch jedes Fakultätsmitglied sämtlicher naturwissenschaftlicher Bereiche in Harvard oder am MIT. Der Stil war opernhaftes Art Déco, das Ambiente von Hitler inspiriert.
    Victor bewunderte Hitler. Für spezielle Begabungen hatte der Führer einen Blick gehabt. In den dreißiger und vierziger Jahren des zwanzigsten Jahrhunderts hatte Victor mit Mengele und anderen zusammengearbeitet, die zu Hitlers privilegiertem Zirkel von Naturwissenschaftlern zählten. Seine Arbeit hatte beträchtliche Fortschritte gemacht, ehe es zum bedauerlichen Sieg der Alliierten kam.

    Im Privatleben war Hitler charmant gewesen, ein amüsanter Erzähler. Seine Hygiene war vorbildlich; stets hatte er frisch geschrubbt ausgesehen und nach Seife gerochen.
    Als Vegetarier und glühender Tierliebhaber war Hitler zart besaitet gewesen. Er duldete keine Mausefallen, sondern bestand darauf, dass Nagetiere human eingefangen und in der Wildnis ausgesetzt wurden.
    Das Problem mit dem Führer war gewesen, dass er seine Wurzeln in der Kunst und in der Politik hatte. Die Zukunft gehörte weder den Künstlern noch den Politikern.
    Die neue Weltordnung würde nicht von Nazis, Kommunisten oder Sozialisten errichtet werden. Und auch nicht vom Kapitalismus.
    Die Zivilisation würde nicht vom Christentum oder vom Islam neu erschaffen oder aufrechterhalten werden. Weder von den Scientologen noch von den Anhängern der köstlich solipsistischen und paranoiden neuen Religion, die durch Sakrileg aufgekommen war, auch wenn die Augen der Fans beim Entziffern des Da Vinci Codes noch so sehr leuchteten.
    Die Zukunft gehörte den Naturwissenschaften. Die Priester der Wissenschaftlichkeit waren nicht bloße Kleriker in Roben, die Rituale vollzogen; sie waren Götter, und sie besaßen auch die Macht von Göttern. Victor war ihr Messias.
    Als er das riesige Labor durchquerte, gaben die bedrohlich wirkenden Apparaturen ein surrendes Vibrieren und ein leises pulsierendes Pochen von sich. Sie tickten und zischten.
    Hier fühlte er sich zu Hause .
    Sensoren ermittelten, dass er auf seinen Schreibtisch zuging, und der Bildschirm seines Computers hellte sich auf. Auf dem Monitor erschien das Gesicht von Annunciata, seiner Sekretärin in den Händen der Barmherzigkeit .
    »Guten Morgen, Mr Helios.«
    Annunciata war bildschön, aber nicht echt. Sie war eine dreidimensionale digitale Persönlichkeit mit einer künstlichen,
aber herrlich rauchigen Stimme, die Victor konstruiert hatte, um seine ansonsten nüchtern gehaltene Arbeitsumgebung menschlicher zu gestalten.
    »Guten Morgen, Annunciata.«
    »Die Leiche von Detective Jonathan Harker ist von den Leuten abgeliefert worden, die Sie ins Büro des Gerichtsmediziners eingeschleust haben. Sie liegt im Sezierraum für Sie bereit.«
    Auf seinem Schreibtisch erwarteten Victor eine Warmhaltekanne mit heißem Kaffee und ein Teller Plätzchen mit Pekannuss- und Schokoladensplittern. Er nahm sich ein Plätzchen. »Was sonst noch?«
    »Randal sechs ist verschwunden.«
    Victor zog die Stirn in Falten. »Das bedarf einer Erklärung.«
    »Bei der Zählung um Mitternacht wurde sein Zimmer verlassen vorgefunden.«
    Randal sechs war eines von zahlreichen Experimenten, die derzeit in den Händen der Barmherzigkeit lebten. Wie seine fünf Vorgänger war auch er als Autist mit einer Anlage zur Zwangsneurose erschaffen worden.
    Dieses geplagte Geschöpf hatte Victor mit der Absicht entworfen, ein für alle Mal herauszufinden, ob eine solche Entwicklungsstörung nutzbringend eingesetzt werden konnte. Wenn man eine autistische Person durch den Einsatz einer sorgsam programmierten Zwangsneurose steuerte, könnte es möglich sein, ihr Interesse auf eine sehr schmale Bandbreite von Funktionen zu lenken, die heute in Fabriken gewöhnlich von Maschinen verrichtet wurden. Ein solcher Arbeiter könnte eintönige Beschäftigungen und sich ständig wiederholende Handgriffe Stunde um Stunde und endlose Wochen lang übernehmen, ohne einen Fehler zu machen und ohne sich zu langweilen.
    Durch einen chirurgischen Eingriff ließ sich ein Schlauch zur Nahrungsaufnahme, aber auch ein Katheter einsetzen, damit
die Notwendigkeit von Pinkelpausen wegfiel. So könnten sich diese Personen als wirtschaftliche Alternative zu manchen Fabrikrobotern erweisen, die derzeit an Fließbändern tätig waren. Ein solches Wesen konnte mit einer Lösung ernährt werden, die nicht mehr als einen Dollar am Tag kostete. Es würde keinen Lohn
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