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Die Kreatur

Die Kreatur

Titel: Die Kreatur
Autoren: Dean Koontz
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Einlage.«
    Winona sagte: »Carson, Mädchen, wie hältst du es bloß aus, dass er den ganzen Tag so charmant ist?«

    »Ab und zu ziehe ich ihm meine Pistole über die Rübe.«
    »Das nutzt wahrscheinlich auch nichts«, sagte Winona.
    »Wenigstens trägt es dazu bei«, sagte Carson, »dass ich in Form bleibe.«
    »Wir sind wegen einer Leiche hier«, sagte Michael.
    »Von denen haben wir hier einen ganzen Schwung«, sagte Winona. »Einige haben Namen, andere nicht.«
    »Jonathan Harker.«
    »Einer von euch«, bemerkte Winona.
    »Jein«, sagte Michael. »Er hatte ein Abzeichen wie wir und zwei Ohren, aber viel mehr haben wir nicht mit ihm gemeinsam. «
    »Wer hätte gedacht, dass sich ein Psychopath und Mörder wie der Chirurg als ein Bulle erweist«, sagte Winona verwundert. »Wohin wird das alles noch führen?«
    »Wann wird Jack eine vorläufige Autopsie vornehmen?«, fragte Carson.
    »Schon geschehen.« Winona klopfte auf den Ordner mit handschriftlichen Notizen neben ihrem Computer. »Ich bin gerade dabei, den Bericht abzutippen.«
    Das verblüffte Carson. Ebenso wie sie und Michael wusste auch Jack Rogers, dass sich in New Orleans etwas ganz Außergewöhnliches abspielte und dass einige Einwohner der Stadt nicht im eigentlichen Sinne Menschen waren.
    Er hatte eine Autopsie an einem Typen vorgenommen, der zwei Herzen hatte und einen Schädel, der die Dichte von Marmor aufwies, zwei Lebern und etliche andere »Verbesserungen«.
    Carson und Michael hatten ihn gebeten, seinen Bericht zurückzuhalten, bis sie die Situation, vor der sie standen, klarer erfasst hatten – und innerhalb von Stunden waren zu Jacks gewaltigem Verdruss die Leiche und sämtliche Unterlagen verschwunden, die mit der Autopsie in Zusammenhang standen.

    Jetzt hätte er größte Sicherheitsmaßnahmen walten lassen sollen, damit nichts über die Leiche von Jonathan Harker ans Licht kam, der ebenfalls ein Angehöriger von Victors Neuer Rasse war. Carson konnte nicht begreifen, weshalb er Winona gegenüber Harkers unmenschliche Natur enthüllen sollte.
    Noch unbegreiflicher waren Winonas Seelenruhe und ihr unbefangenes Lächeln. Falls sie gerade den Bericht über eine Autopsie tippte, die an einem Monster vorgenommen worden war, schien es ihr nicht bewusst zu sein.
    Michael, dessen Verblüffung sich an Carsons messen konnte, fragte: »Hast du gerade erst damit angefangen?«
    »Nein«, sagte Winona, »ich bin so gut wie fertig.«
    »Und?«
    »Was und?«
    Carson und Michael tauschten einen Blick miteinander aus. Dann sagte sie: »Wir müssen dringend zu Jack.«
    »Er ist in Autopsieraum Nummer zwei«, sagte Winona. »Sie treffen gerade Vorbereitungen, um einen Rentner aufzuschneiden. Es sieht so aus, als hätte ihm seine Frau ein Gumbo mit Flusskrebsen vorgesetzt, die nicht mehr ganz frisch waren.«
    Carson sagte: »Sie muss am Boden zerstört sein.«
    Winona schüttelte den Kopf. »Sie haben sie verhaftet. Als man ihr im Krankenhaus gesagt hat, dass er gestorben ist, hat sie sich ausgeschüttet vor Lachen.«

6
    Deucalion brauchte so gut wie keinen Schlaf. Obwohl er ausgedehnte Phasen seines langen Lebens in Klöstern verbracht hatte und den Wert von Stille und Meditation durchaus kannte,
schien das rastlose Kreisen und Suchen eines Haifischs sein natürlichster Zustand zu sein.
    Er war so gut wie ständig in Bewegung gewesen, seit er das Mädchen aus der dunklen Gasse in Algiers gerettet hatte. Seine Wut war verraucht, aber seine Unruhe hatte sich nicht gelegt.
    In das Vakuum, das zurückblieb, als der Zorn verflog, sank neuerliche Besorgnis. Es spielte in keiner Weise Furcht mit hinein, eher eine Art Beunruhigung, die aus dem Gefühl entstand, etwas übersehen zu haben, was von größter Bedeutung war.
    Seine Intuition bestürmte ihn mit einem eindringlichen Flüstern, doch im Moment war ihre Stimme ein wortloses Wispern, von dem sich zwar seine Nackenhaare aufstellten, dem es jedoch nicht gelang, ihm etwas Wesentliches mitzuteilen.
    Im Morgengrauen war er zum Luxe zurückgekehrt. Das Lichtspieltheater war ihm kürzlich von einem alten Freund aus seiner Zeit auf den Jahrmärkten, dem Boss des Monstrositätenkabinetts, testamentarisch vermacht worden.
    Diese Erbschaft – und die Entdeckung, dass Victor, sein Schöpfer, nicht seit zweihundert Jahren tot war, sondern noch am Leben – hatte ihn von Tibet nach Louisiana geführt.
    Er hatte häufig das Gefühl gehabt, dass in seinem Leben das Schicksal am Werk war und dass er eine Bestimmung hatte.
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