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Die Kreatur

Die Kreatur

Titel: Die Kreatur
Autoren: Dean Koontz
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Geistererscheinung.
    Er begab sich vom Licht in den Schatten, von dieser Seitenstraße in eine andere, und sein Zorn eskalierte zu rasender Wut.
    Seine riesigen Hände zuckten und verkrampften sich, als lechzten sie danach, zu würgen. Er ballte sie zu Fäusten und steckte sie tief in seine Manteltaschen.
    Sogar in dieser Sommernacht und trotz der drückend heißen Luft im Mississippidelta trug er einen langen schwarzen Mantel.
Weder Hitze noch beißende Kälte machten ihm etwas aus. Weder Schmerz noch Furcht.
    Als er seine Schritte beschleunigte, bauschte sich der voluminöse Mantel wie ein Umhang. Mit Kapuze wäre er als der Tod persönlich durchgegangen.
    Vielleicht war der unwiderstehliche Drang zu morden in jede seiner Fasern eingewoben. Sein Fleisch war das Fleisch von zahlreichen Verbrechern, deren Leichen sofort nach der Beerdigung von einem Gefängnisfriedhof gestohlen worden waren.
    Eines seiner zwei Herzen stammte von einem wahnsinnigen Brandstifter, der Kirchen angezündet hatte. Das andere hatte einem Kinderschänder gehört.
    Selbst bei einem von Gott erschaffenen Menschen kann das Herz falsch und verrucht sein. Das Herz lehnt sich manchmal gegen alles auf, was der Verstand weiß und woran er glaubt.
    Wenn sogar die Hände eines Geistlichen sündige Werke vollbringen können, was kann man dann schon von den Händen eines überführten Würgers erwarten? Von einem solchen Verbrecher stammten Deucalions Hände nämlich.
    Seine grauen Augen waren aus der Leiche eines hingerichteten Axtmörders herausgerupft worden. Gelegentlich wurden sie von einem pulsierenden Leuchten durchzuckt, als hätte das unerhörte Unwetter, das ihm zum Leben verholfen hatte, einen Blitz zurückgelassen.
    Sein Gehirn hatte einst den Schädel eines unbekannten Übeltäters ausgefüllt. Der Tod hatte jede Erinnerung an dieses frühere Leben ausgelöscht, aber vielleicht waren die Schaltkreise des Gehirns ja weiterhin falsch gepolt.
    Jetzt führte ihn seine zunehmende Wut in noch schäbigere Straßen in Algiers am anderen Flussufer. In diesen dunklen Gassen wucherte und gedieh das illegale Treiben.
    In einem besonders verlotterten Straßenzug verbarg sich hinter der reichlich durchsichtigen Tarnung als Klinik für therapeutische
Massage und Akupunktur ein Freudenhaus. Daneben lagen ein Tätowierungsstudio, eine Pornovideothek und eine Cajun Bar, in der es wüst zuging. Dröhnende Zydecomusik drang auf die Straße hinaus.
    In Wagen, die in der Seitenstraße hinter diesen Betrieben geparkt waren, saßen Zuhälter gesellig beisammen, während sie darauf warteten, von den Mädchen, die sie dem Bordell zugeführt hatten, abzukassieren.
    Zwei Gecken in Hawaiihemden und weißen Seidenhosen glitten auf Rollerskates umher und verkauften an die Kunden des Bordells Kokain, das mit pulverisiertem Viagra verschnitten war. Ecstasy und Methadon hatten sie gerade im Sonderangebot.
    Vier Harleys standen aufgereiht hinter dem Pornoladen. Die hartgesottenen Motorradfahrer schienen als Sicherheitsleute des Bordells oder der Bar beschäftigt zu sein. Oder für die Rauschgifthändler zu arbeiten. Vielleicht auch für sie alle miteinander.
    Deucalion ging zwischen ihnen durch, von manchen bemerkt, von anderen nicht. Sein schwarzer Mantel und noch schwärzere Schatten verbargen ihn fast so gut wie eine Tarnkappe.
    Die mysteriösen Blitze, die ihn zum Leben erweckt hatten, hatten ihm auch eine Einsicht in die Quantenstruktur des Universums vermittelt, wenn nicht sogar noch etwas mehr. Nachdem er zwei Jahrhunderte damit verbracht hatte, dieses Wissen eingehender zu erforschen und es nach und nach anzuwenden, konnte er sich, wenn er wollte, mit einer Geschwindigkeit, einer Leichtigkeit und einer Unsichtbarkeit durch die Welt bewegen, die andere bestürzend fanden.
    Eine Auseinandersetzung zwischen einem der Motorradfahrer und einer schlanken jungen Frau an der Hintertür des Bordells lockte Deucalion an wie Blut im Wasser einen Hai.
    Obgleich ihre Kleidung dazu angetan war, zu erregen, wirkte
das Mädchen jugendlich frisch und verletzlich. Sie hätte sechzehn Jahre alt sein können.
    »Lass mich gehen, Wayne«, flehte sie. »Ich will aussteigen.«
    Wayne, der Motorradfahrer, hielt sie an beiden Armen fest und presste sie gegen die grüne Tür. »Wenn du erst mal eingestiegen bist, kannst du nicht mehr raus.«
    »Ich bin doch erst fünfzehn.«
    »Mach dir keine Sorgen. Du wirst schnell altern.«
    Durch ihre Tränen sagte sie: »Ich hatte keine Ahnung, was auf
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